Das letzte Fleckchen Erde in Gefahr. Über Raumnot und das strategische Elend der Häuserkämpfe in Jena

von Horst

1. Hä? Häuserkämpfe in Jena?

Im beschaulichen, das heißt in erster Linie sozial befriedeten Jena gibt es Häuserkämpfe. Gemeint sind hier nicht die Besetzungen der Carl-Zeiss-Straße 11 (1.7.14), der Neugasse 17 (6.12.13), des ehemaligen Horten-Kaufhauses am Inselplatz (2008), der ehemaligen Polizeiinspektion Am Anger (2001) oder die des ehrwürdigen „Hauses“ am Westbahnhof. Solch sporadisch wiederkehrende Besetzungen gehören zwei­felsohne zu Häuserkämpfen, bilden aber nur einen kleinen Teil dieser – zumindest hier in Jena. Die Pfade zu den erträumten selbstverwalteten Räu­men laufen für viele Aktivist*innen nicht direkt, sondern indirekt über Parlament und Verwaltung. Diese „Strategie“¹ möchte ich im Folgenden genauer unter die Lupe nehmen. Als mehr oder weniger aktuelle Beispiele hierfür dienen „Insel“, „Kulturwache“, sowie „Öko-Soziales Zentrum“.² Zuvor mache ich kurze Anmerkungen zum kommunal-politischen Kontext, unter dem diese Häuserkämpfe stattfinden.

Jena gilt im nationalen Vergleich als aufstrebende Stadt. Dass es sich nach der Deutschen Einheit so glänzend in der ostdeutschen Standortkonkurrenz behaupten konnte, stellt kein unergründliches Wunder dar. Kapital-interessen werden stets mit Kusshand bedient. Zudem begann die Umwand­lung der hochindustrialisierten „Zonen-Stadt“ zur smarten Image-City schon Mitte der 90er Jahre, sodass die Weichen zur neoliberalen Kapital­akkumulation vergleichsweise früh gestellt waren. Hinter der Inszenierung als junger und hipper „Science City“, „Lichtstadt“ und „Wohlfühl-Paradies“ verbirgt sich eine von Stadtrat und insbesondere Stadtverwaltung gnaden­los forcierte Verdrängungspolitik. Für sich sprechen eingestellter Sozial­wohnungsbau, Privatisierung kom­muna­ler Immobilien(gesellschaften), In­vesti­tion in prestigeträchtige Groß­pro­jek­te, geförderte Sanierung von Fassa­den ganzer Stadtteile, realitäts­ferne Höhe der Angemessenheits­grenze für ALGII-Empfänger*innen, Image­kam­pag­nen bei (angehenden) Jungakademiker-*innen und Fach­kräften, Ausbau von der vom Kapital benötigten Infra­struk­tur und künstliche Verknappung von Fördergeldern im Bereich Jugend und Kultur. Ein kurzer Blick auf die Finger der uns verwaltenden und repräsen­tieren­den Eliten genügt, um zu sehen wer für diese in Jena 2030³ eine Zukunft hat.

2. Subkultureller Widerstand

Projekte wie „Insel“, „Kulturwache“ oder „Öko-Soziales Zentrum“ sind meines Erachtens Versuche solchen Entwicklungen subkulturelle Alterna­tiven entgegen zu stellen.

2.1 Beispiel: Insel

Die stille und schleichende Aneignung des Gebäudes Inselplatz 9a als Hausprojekt_soziokulturelles Zentrum ist im Kon­text von Häuserkämpfen ein lehrreiches Beispiel.⁴ Seit Stadtverwal­tung und Stadtrat bei der Umnutzung des Inselplatzes zu einem weiteren Uni-Campus baurechtlich Nägel mit Köpfen machten, richtet(e) sich der Protest der Bewohner*innen sowie ihres durchaus beachtlichen Unterstützer*innenumfel­des vermehrt gegen diese. Höhepunkt war eine „Stadtratsbesetzung“ im No­vember 2013, die den parlamen­tarischen Vorgang um sage und schreibe eine Woche hinauszögerte. Zum eigentlichen Skandal wurde aber nicht die Verdrängung alteingesessener Bewohner*innen des Inselplatzes – nicht nur jene der Nr. 9a – zugunsten eines als abstraktes Allgemeinwohl getarnten Kapitalinteresses sowie die vorwiegend stumme Abwicklung des­sen. Thematisiert und durch Presse-Schreihälse wie Lutz Prager medial ausgeschlachtet wurde die Anmaßung durchgeknallter Hippies die Ehr­würdigkeit des parlamentarischen Ab­laufes zu stören. Die Auflösung der Stadtratssitzung im Konfetti-Regen und lauter Techno-Musik – die Art und Weise ist sicherlich „Geschmackssache“ – hat einen Nerv staatlich-bürokratischer Ap-parate getroffen: ihr Interesse am reibungslosen Ablauf.

In dieser Hinsicht war die Aktion ge­lungen, stünden ihr nicht zugleich eine symptomatische Planlosigkeit der sowie eine katastrophale Nachbereitung durch die Aktivist*innen entgegen. Die aufge­fahrene Drohkulisse durch zahlreiche Unterstützer*innen wurde begleitet von appelativen Reden seitens der Bewoh­ner­*innen.⁵ Einerseits den parla­mentarischen Ablauf zu stören, ihn zeitlich begrenzt unmöglich zu machen und anderer­seits Forderungen nach Reprä­sentation durch eben dieses Parlament zu stellen, d.h. unkritisch auf sein demokratisches Funktionieren zu hof­fen⁶, vernichtet den politischen Mehrwert der Aktion umgehend. Zudem entpuppe sie sich im Nachgang schnell als Strohfeuer. Der medialen Nachbe­reitung – eine Disziplin, die staatliche Apparate bestens beherrschen – wurde wie so oft kein Wimpernschlag gewidmet. Warum die Erhaltung und der Kampf um solche(r) Räume wie dem Inselplatz 9a nicht nur im Interesse einer abgeschlossenen Subkultur ist, wurde an keiner Stelle deutlich. So dürfte bei den meisten Bewohner*innen Jenas lediglich der durch die vorherr­schenden Medien erzeugte Eindruck in Erinnerung geblieben sein. Das „Image“ des Inselplatzes 9a als „feierwütiger Jugendmob“ hat sich so durch die Stadtratsbesetzung sicherlich nicht verändert. Die politischen Eliten hatten leichtes Spiel und konnten die und weitere Aktionen der Insel als unbe­rech­tig­te Anmaßung eines Sonderinteresses gegen­über dem Allgemeinwillen dis­kre­ditieren.

2.2 Beispiel: Kulturwache

Viele der folgenden Aktionen durch Insel-Aktivist*innen blieben dem Sche­ma treu, einerseits auf die Einsicht des Stadtrates und andererseits auf die eigene subkulturelle Stärke hoffend (oder eine Kombination aus beidem). Als sich das Scheitern dieser Dop­pelstrategie⁷ abzeichnete, tat sich ein neues subkulturelles Projekt hervor, das von der Verteigung zur Eroberung neuer Räume überging: die „Kultur­wache“⁸. Deren Hauptanliegen war es, der in den letzten Jahren noch einmal verschärften soziokulturellen Raumnot entgegen­zu­wir­ken.⁹ Dafür sollte die (mittlerweile) Alte Feuerwache genutzt werden, die im Herzen des „Regierungs- und Verwal­tungs­viertels“ steht. Den „Umweg“ über den Stadtrat wollten die Aktivist*innen nicht mehr gehen. Statt­dessen biederten sie sich zum Einen unmittelbar dem Stadtentwicklungs­de­zernat an, indem sie im neoliberalen Sprech kommunizierten und sich recht­licher, wie betriebswirtschaftlicher In­stru­men­te (Projekt-Konzept, Bedarf­sanalyse o.ä.) bedienten. Zum Anderen erweiterten sie ihr Zielpublikum inso­fern, dass sie mit öffentlichen Veran­stal­tungen größere Bevölkerungsteile (Ausstellung „Kulturknall“, Infor­ma­tionsstand im Fauloch o.ä.) ansprechen wollten. Für beides wurde eine ge­zähmte Praxis gewählt, die nicht den Eindruck entstehen lassen sollte, irgendetwas mit rebellischen Geistern am Hut zu haben. Die (Sozio)Kultur, die die Räumlichkeiten einmal beziehen sollte, stellte sich als passend zur Marke Jena dar und würde genau dem neoliberalen Kulturkonzept der sich ver­marktenden Stadt entsprechen.¹⁰

Die Erschließung einer breiteren Unter­stützung gelang schließlich nicht. Der Glaube, Menschen dadurch auf die eigene Seite „locken“ zu können, indem mensch sie in einer ausschließlich abstrakten Kategorie wie „BürgerIn“ oder „EinwohnerIn“ anspricht, wurde so Lügen gestraft. In diesen spiegelt sich kein besonderes Interesse wieder, dass durch das entsprechende Projekt be­dient werden könnte.¹¹ So erwies sich die Professionalisierung und „Verbürger­lichung“ des eigenen Aktivismus, sowie die (versuchte) Zusammenarbeit mit dem Stadtentwicklungsdezernat als Eigentor, das große Teile der radikalen Linken verschreckte und weder die „Massen“ begeistern konnte noch Herrn Peisker (Stadtentwicklungsdezernent). Übersehen wurde hier, dass sich Regierende und Verwaltende – insbe­sondere sozialtechnologisch verblende­te – höchst ungern von unten erklären lassen, was ihre Schäfchen brauchen.¹² In der Annahme, die Stadt würde aus betriebswirtschaftlichen Kalkül jegliches ihnen als Aufwertungsvorhaben ange­priesene Projekt, das sie finanziell nicht selbst stemmen muss, begeistert auf­greifen, fehlt ein gehöriges Stück Herr­schafts­kritik. Die Aktivist*innen könnten der Ideologie des weiterhin sehr autoritären neoliberalen Staates auf den Leim gegangen, wonach dieser schlanker, zahmer und kooperations­freudiger sei.¹³¹⁴

2.3 Beispiel: Ökosoziales Zentrum

Mittlerweile gilt die Kulturwache als gescheitert oder wenigstens auf Eis gelegt. In einem geschickten Schach­zug¹⁵ wies die Stadtverwaltung die Alte Feuerwache Anfang 2016 zur Nutzung als Lager für Geflüchtete aus. Nachdem die Abschottung Europas die Zahl der in Jena ankommenden Geflüchteten stark verringerte, wurde davon wieder Abstand genommen. Teile der Alten Feuerwache wurden inzwischen dem Umsonstladen sowie verschiedenen „Flüchtlingsfreundeskreisen“ und deren Kleidersammlungen zur Zwischen­nutzung zur Verfügung gestellt. Das mag wenigstens ein kleiner Wermuts­tropfen auf dem heißen Stein sein, an den zahnlosen Häuserkämpfen in Jena ändert dies letztlich wenig. Für soziokulturell engagierte stand jedoch im Frühling 2016 bereits das nächste Projekt in den Startlöchern: das „Öko­soziale Zentrum“¹⁶. Ziel ist „die Reaktivierung einer Brachfläche im Stadtzentrum Jenas als Begegnungs- und Erholungsort für eine Stärkung des Dialoges zwischen Wissenschaft, städ­tischer Verwaltung und Politik so­wie einer aktiven Zivilgesellschaft, die sich selbsttragend und gemein­schaftlich organisiert den Zielen eines Wand­lungs­prozesses hin zu einer weltoffenen und zukunftsorientiert agierenden Stadt Jena verpflichtet.“¹⁷. Die Ausrichtung spricht insofern eine klare Sprache – ganz abgesehen davon, dass der Wortlaut wie eine Kopie aus dem Koalitionspapier von SPD, CDU und Grünen wirkt –, dass sie Zweifel an einer auch nur noch ansatzweise emanzipatorischen Vision aufkommen lässt. „Sozial“ wird in diesem Projekt identisch mit „BürgerIn“.¹⁸ Ein politischer Standpunkt, geschweige denn eine Parteilichkeit abseits des städ­tischen Zwangs(dis)kurses ist für mich nicht mehr erkennbar. Die un­kri­tische Zusammenarbeit mit allen mög­lichen Stadtschergen nur folge­richtig. So dürfte es auch kein Zufall sein, dass auch kommerzielle Kultur ihren Platz im Zentrum finden wird. Sollte es jemals realisiert werden, gäbe es auch in Jena ein Projekt, dass als Gentrifizierungs­faktor nach Leipziger Art wirken könn­te¹⁹ und die neoliberale Landnahme von Häuser­kämpfen hätte mit großer Ver­spä­tung auch Jena erreicht.

3. Ursachen zahnloser Häuser­kämpfe

Abschließend möchte ich die Frage aufwerfen, inwiefern die drei diskutierten Projekte in ihrer Ausricht­ung einen Kampf gegen Windmühlen führ(t)en. Zweifelsohne haben die Akti­vist*innen vorhandene Missstände tref­fend erkannt. Die Subkultur_Soziokultur Jenas musste nach einigen Erfolgen in den 90er Jahren („Haus“, Kassablanca u.a.) im letzten Jahrzehnt schmerzhafte Verluste (Caleidospheres u.a.) hin­nehmen. Dafür waren vor allem stei­gende Immobilienpreise und Mieten verantwortlich. Eine Entwicklung, die durch kommunal-politische Weichen­stellungen aktiv befeuert wurde. Um den verlorenen Raum zurückzuge­winnen, investierten die Aktivist*innen viel Zeit und Kraft. Die dabei an den Tag gelegte Motivation, Eifer und Ge­duld empfinde ich als sehr be­eindruckend. In dieser Dimension könnten sich meines Erachtens viele Freizeit-Aktivist*innen eine Scheibe ab­schneiden. Die Inten­sitiät des Engage­ments und auch die leidliche Erfahrung immer noch ohne Raum dazustehen darf aber nicht darüber hinwegtäu­schen, dass schwer­wiegende strate­gische Fehler in diesen Häuserkämpfen begangen wurden, deren zwei ich abschließend kurz benennen möchte.

Alle Projekte konzentrier(t)en sich auf Sub_Soziokul-tur, was insofern ver­ständ­lich ist, als sich in diesem Umstand die intrinsische Motivation, das Selbstinteresse am Aktivismus ausdrückt. Allein mit diesem Interesse enstünden aber maximal Inseln, Ni­schen, Rückzugs- und „Entfaltungs­räume“, die in der „Normalgesellschaft“ nicht gegeben sind. Auch dagegen spräche zunächst wenig, wären es nicht in der Regel Projekte von Privilegierten für Privilegierte und würde nicht der Nischenaspekt überwiegen, während sich die Stadt um einer*m herum rasend verändert (vielleicht sogar auch auf Grund des eigenen Tuns). Ausgehend von der Basis des Selbst­interesses bedarf es daher Erwei­terungen, entweder indem mehr als nur die eigenen Interessen im Projekt bedient werden oder indem mensch sich Verbündete für den eigenen Kampf sucht, deren Aktivismus andere Interessen bedient. Zwar versuch(t)en Kulturwache und Ökosoziales Zentrum diesen Weg zu gehen, scheiter(te)n aber an abstrakten Kategorien wie „BürgerIn“. Mit dieser Anrufung erschei­nen entweder Menschen, deren Inter­essen mensch gerade nicht noch mehr Raum geben sollte oder eben nie­mensch. Ich halte es für einen fatalen Fehlschluss zu glauben, dass die ei-gene Politik anschlussfähiger wird, indem wir sie als zahm_bürgerlich_­nichtradikal_unparteiisch darstellen. Zu merken, dass wir nicht genug sind, ist eine wichtige Erkenntnis. Daraus aber zu schließen, dass wir ersteinmal alle ansprechen sollten, um zu schauen, wer kommt, eine falsche Konsequenz. Eine naheliegende Lösungsstrategie des Problems ist für mich, zu schauen wer denn noch alles von Verdrängung betroffen ist, schließlich verschwindet in dieser Stadt nicht nur die Sub_Sozio­kultur nach und nach von der Bild­fläche.

Weiterhin eint die drei Projekte das bewusste oder unbewusste Handeln auf dem Spielfeld und die Annahme der Spielregeln des Staates.²⁰ Schematisch tun sie dies in der behandelten Reihen-folge gegen, für und mit den kommunal-staatlichen Apparaten. Das heißt allgemein richten sich ihre An­liegen stets an die Repräsentant*innen im Stadtrat und / oder an die Verwal­ten­den im Stadtentwicklungs­dezernat und / oder an bürgerliche Aktivist*innen mit Nähe zu Parlament und Verwaltung. Besonders unterscheiden sie sich ledig­lich in ihrer Posi­tionierung zu diesen Insti­tutionen. Meine These lautet nun, dass die Art und Weise der Anrufung insofern irrelevant ist, da es zum integralen Bestandteil neoliberaler Ver­waltung gehört, jegliche Form von An­rufung seitens Protestierender einzu­he­gen. Weniger verschachtelt formuliert: Wer glaubt, dass politische Eliten ein*e auch nur ansatzweise verlässliche*r „Bündnispartner*in“ sein können, über­nimmt die demokratische Logik der Repräsentation in seine*ihre „Politik“. Solch eine Zusammenarbeit macht meines Erachtens aber nur Sinn, wenn erstens bereits starke auf Selbst­organisierung beruhende Netzwerke vor­handen sind, sowie deren Aufrech­terhaltung auch stets Vorrang haben wird und zweitens diese Menschen miteinbezieht, die nicht ebenfalls in der Subkultur oder (linken) Studi-Blase unterwegs sind. Mit der Sicherheit das „Bündnis“ nach eigenen Bedingungen jederzeit aufkündigen zu können, ohne damit vor einem Scherbenhaufen zu stehen, sowie mit dem Druckmittel breiteren Rückhaltes lässt sich nach­haltige „Politik“ in Auseinandersetz­ung mit staatlichen Apparaten machen.

Aus beiden Punkten ergibt sich für mich ein Plädoyer für herrschaftskritische Standpunkte. Das heißt nicht in Ab­straktionen über Leute herzuziehen, son­dern ihre alltäglichen Probleme zu thematisieren und als Folge gesell­schaftlicher Verhältnisse sichtbar zu machen. Für die oben diskutierten Häuserkämpfe bedeutet dies, den verwendeten Kulturbegriff zu po­litisieren, parteiisch zu sein, sich selbst-bewusst laut und leise zu nehmen, statt zu appellieren und zugleich Menschen in ihrer konkreten Betroffenheit von Ableismus, Altersdiskriminierung, Klas­sismus, Rassismus, Sexismus, Hetero­normativität usw. anzusprechen. Warum also nicht einmal ein (be­setztes) Au­to­no­mes Zentrum mit Klassenstandpunkt oder ein (besetztes) Stadtteilzentrum mit empowernden Angeboten von und für von Dis­kriminierung_Verdrängung Be­troffene?

 

Fußnoten

(1) Eine öffentliche oder auch nur szene-interne Debatte über dieses sehr weit verbreitete Vorgehen ist mir noch nicht begegnet.

(2) Die Auswahl erfolgte auf Grund ihres exemplarischen Gehaltes und nicht etwa weil diese Projekte aus positiven oder negativen Gründen besonders erwähnenswert wären gegenüber anderen.

(3) So der Name des „Integrierten Stadt­entwicklungskonzeptes“, an dem das Stadt­ent­wick­lungs­dezernat aktuell mit Hochdruck arbeitet. https://blog.jena.de/jena2030/

(4) Die Thematisierung unserer Wohnverhältnisse birgt – insbesondere in Jena – große politische Sprengkraft. Damit spiele ich nicht nur auf die mangelnde Konfliktfreudigkeit mit unseren Vermieter*innen an, sondern eben-o auf die Gestaltung des Wohnens, des vermeintlich Privaten selbst. Das Beispiel Inselplatz 9a macht deutlich, wie nieder-schwellig und lange unbemerkt Aneignung „privater“ Räume funktionieren kann.

(5) Erinnert sei hier an die Formulierung: „So lasst uns doch unser Fleckchen Erde“ seitens eines Inselplatz-Aktivisten.

(6) Unberücksichtigt blieb hier zudem, dass die in Kommunen schon immer bestehende Dis­­krepanz zwischen ehrenamtlichen Parla­ment und professionalisierter Verwaltung im Neo­liberalismus weiter zunahm und somit die wesentlichen Entscheidungen im Stadt­ent­wick­lungs­de­zernat getroffen werden, d.h. abseits jeglicher in der parlamentarischen Demokratie ohnehin schon lächerlich kleinen „Verfügungsgewalt“ der Bürger*innen.

(7) Natürlich ist nur die Strategie gescheitert. Das Projekt besteht weiterhin und wirkt in seinem Terrain (Sokü, Partys) gefestigt.

(8) http://www.kulturwache-jena.de/. Ob hier irgendein Zusammenhang zwischen den Projekten gegeben ist, ist mir nicht bekannt.

(9) Im Konzept heißt es, dass ein „Ort kreativer Selbstverwirklichung, gegenseitigen Austauschs und kultureller Förderung“ geschaffen werden soll.

(10) So der Tenor in der Bedarfsanalyse.

(11) Angerufen fühlen sich dadurch eher privilegierte Menschen, deren Interessen in der Stadtentwicklung bereits überwiegend vertreten sind. Sub­kul­tur_So­zio­kul­tur_Selbst­ver­wirk­lich­ung mögen Interessen sein, die in ihrer Gestaltung und in ihrem Vollzug höchst voraussetzungsvoll sind und – was häufig nicht gesehen wird – in verschiedenen sozialen Lagen unterschiedlich befriedigt werden oder unbefriedigt bleiben kann.

(12) Die mittlerweile inflationär stattfindenden „Bürgerveranstaltungen“ sprechen zunächst eine andere Sprache. Bei genauerem Hinsehen wird aber deutlich, dass es sich bei diesen um eine „unbewusste“ Inszenierung handelt, bei der – wie es der „Zufall“ so will – in der Tendenz eben die Planungen herauskommen, die den städtischen Eliten in den Kram passen. Unbewusst ist diese insofern, dass hier nicht unbedingt eine top down Manipulation geschieht. Die Zielsetzungen werden hingegen oft aktiv von den Teilnehmenden beigesteuert.

(13) Für diese Einschätzung ist es im Übrigen egal, ob die Aktivist*innen selbst emanzi­pa­to­ri­sche oder konformistische Positionen vertreten.

(14) Bürger*innen sollen zwar durchaus Initiative zeigen, sich engagieren und ihre Meinung kundtun, aber nur in dem Sinne, wie es von staatlichen Apparaten erwartet wird. Abweichungen von dieser Logik werden entweder verfolgt oder – wenn der Widerstand bereits zu groß ist – gespalten und eingehegt.

(15) Das Kalkül, dass sich niemensch, der sich „links“ verortet“, über diese Art und Weise der Nutzung echauffieren würde, ging zumindest auf. Dennoch erachte ich es als möglich, Kritik an dem Vorgehen der Stadt zu formulieren, ohne rassistische Stimmung zu machen.

(16) http://freiraumjena.12hp.de/idee.html

(17) http://freiraumjena.12hp.de/ziele.html

(18) Bände spricht da auch die Zusammenarbeit mit der „Bürgerstiftung Jena“. Gemäß bürgerschaftlichen Engagements ist jeder rassistische, sexistische, klassistische und ableistische Spaltung in ihrer Ursächlichkeit ausgeblendet. Was zählt ist, dass du dabei bist, egal warum, egal welche Privilegien du hast, egal wie deine Position ist und – was weitaus problematischer ist: wer warum nicht kommt, bleibt völlig außen vor.

(19) Das Stadtentwicklungsdezernat zeigt sich, angesichts der bald zahlreich leer stehenden Flächen, jedenfalls offen für Zwischennutzungskonzepte in Zusammenarbeit mit der „Kreativ­wirtschaft.“

(20) Nein: damit ist nicht gemeint, dass es irgendwo ein „außerhalb“ des Staates gäbe, von wo aus wir „Politik“ machen könnten. Es besteht für mich jedoch ein meilenweiter Unterschied zwischen dieser Einsicht und der Kapitulation vor jeglichen herrschenden Normen. Auch wenn wir gezwungen sind uns der Materialität „Staat“ zu stellen, heißt dies nicht, dass wir uns nicht trotzdem eigene Normen geben können, die denen des Staates widersprechen.