FAU-Wandergruppe in Jena gestartet

von der FAU-Wandergruppe Jena

Nachdem es schon seit einer Weile mit dem Bakuninhütten-Verein in Meiningen und den Schwarz-Roten Berg­steiger_innen in Dresden anar­chistische Wandergruppen und -vereine gibt, haben wir nun auch in Jena eine Wandergruppe ge­star­tet! Sie ist organisatorisch Teil der FAU, aber selbstverständlich offen für Alle!

Wir veröffentlichen im Folgenden unser Selbstverständnis. Ihr könnt uns unter fauj-wandern@fau.org erreichen.

Wir sind die Wandergruppe Jena. Wir haben uns im Sommer 2017 ge­gründet, um gemeinsam Wan­der­ungen mit Bezug zu ge­schicht­lichen und politischen Ereignissen im Jenaer Umland zu organisieren. Wir möchten dabei gemeinsam Orte besuchen und dort über die Geschichte radikaler Bewegung in unserer Region sprechen, aber auch über die Geschichte von Unterdrückung und Ausbeutung – über den deutschen Militarismus, Konzentrationslager und Zwangs­arbeit im National­so­zia­lis­mus, Holocaust und Porrajmos und andere Themen.

Wir sind organisatorisch Teil der Basisgewerkschaft Freie Ar­bei­ter­innen- und Arbeiter-Union (FAU) Erfurt/Jena und wollen eng mit dem linken Sportverein Roter Stern Jena (RSJ) zusammenarbeiten. So verorten wir uns zum einen in der anarchistischen Bewegung und stel­len den Bezug zu den gesell­schaft­lichen Kämpfen unserer Zeit her, bringen uns aber auch in die politische Sportbewegung ein, wie sie in Jena gerade mit dem Roten Stern neu entsteht.

Wir möchten uns in absehbarer Zeit mit ähnlichen anarchistischen Wan­dervereinen wie dem Bakunin-Hütten-Verein in Meiningen und den Schwarz-Roten Bergsteiger_innen in Dresden vernetzen. Außerdem können wir uns vorstellen, ge­le­gent­lich auch Wanderungen in andere Regionen und sogar Länder zu organisieren.

Die Wanderbewegung ist in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ent­standen und hat sich schnell ausdifferenziert. Wir sind uns bewusst, dass es in der Wan­der­bewegung viele problematische Traditionen gibt – von nationaler Romantik, über anti-moderne Esoterik bis hin zu autoritärer Sozialdemokratie und Kom­mu­nis­mus. Wir wollen uns kritisch damit auseinandersetzen und dabei schauen, was es an anarchistischer Wanderbewegung gab wie eben zum Beispiel die Bakunin-Hütte bei Meiningen und den anarchistischen Wanderfreund Fritz Scherer.

Wir hoffen, mit unseren Ausflügen lokale Bewegungsgeschichte und Unterdrückungserfahrungen wieder präsent zu machen und uns dabei besser kennzulernen. Alle sind herz­lich willkommen, an unseren Wanderungen teilzunehmen! Wer beim Lesen dieses Texts Lust be­kommen mitzuarbeiten, kann sich gerne bei uns melden!

Wandergruppe der FAU zum ersten Mal in Aktion

Für Sonnabend, den 23. September 2017, hatte die FAU-Wandergruppe Jena zu ihrer ersten Wanderung zum Thema Militarismus einge­la­den. Zehn Menschen zwischen 2 und 60 machten sich schließlich auf den Weg.

Erste Station war das Blin­ker­denkmal oberhalb des Landgrafens. Dieses wurde 1920/21 vom Sig­na­lis­ten-Veteranenverband „Bund Deutscher Blinker“ errichtet, zu DDR-Zeiten entmilitarisiert, 2008/09 von der Reser­vis­ten­ka­me­rad­schaft Jena, dem Jugendar­beits­kreis des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie einem Logistik-Bataillon der Bundeswehr aus Paderborn wiederhergerichtet und 2012 zum Ziel eines anti­mi­li­ta­ristischen Farbanschlags.

Anschließend ging es weiter hoch zum Napoleonstein, wo wir über die Bedeutung der napoleonischen Kriege für die Entwicklung des deutschen Nationalismus und die seit 1986 vom Verein „Jena 1806“ organisierten Kriegsspiele auf dem ehemaligen Feld der Schlacht von Jena und Auerstedt sprachen.

Wir ließen den Napoleonstein hinter uns und liefen über den Wind­knol­len. Hier war die Nutzung als Truppenübungsplatz durch die Wehr­macht und – den Je­nen­ser_­in­nenn besser in Erinnerung – die sowjetische Armee Thema.

In Closewitz angekommen, besuchten wir das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des ersten und zweiten Weltkriegs und sprachen über die wiederholten natio­na­lis­ti­schen und militaristischen Kam­pag­nen der Setzung von Krieger­denk­mälern nach den napo­leo­ni­schen, Reichseinigungs- und beiden Weltkriegen.

Durch das Rautal ging es dann auf den Jägerberg zum Gelände der ehemaligen NVA-Kaserne, früher Raketentechnische Basis und Muni­tions­lager, heutzutage unter ande­rem Lager des Eisenberger Waffen­ladens arms24 und Aben­teuer­spiel­platz.

Abschließend folgten wir dem roten Wanderweg bis zum Nordfriedhof, wo wir am Mahnmal für Magnus Poser und am Grab von Matthias Domaschk Station machten und jeweils eine weiße Rose hinlegten. Magnus Poser war während des Zweiten Weltkriegs in Jena im kommunistischen Widerstand gewesen und erlag 1944 im KZ Buchenwald den Verletzungen, die er sich angeblich während eines Fluchtversuchs aus der Weimarer-Gestapo-Zentrale zugezogen hatte. Matthias Domaschk, siehe auch das AIBJ #8, war in den 70er Jahren in der Jenaer Oppositionsszene aktiv gewesen und kam 1981 im Stasi-U-haft-Gefängnis von Gera um. Beide kämpften gegen Krieg und Mili­ta­rismus.

Für uns war es in vielerlei Hinsicht ein gelungener Ausflug: Erstens sind wir auf diesem Weg mit meh­re­ren Interessierten ins Gespräch gekommen. Nicht nur Historisches, sondern auch aktuelle gewerk­schafts­relevante Dinge wurden thematisiert. Zweitens haben wir durch die kurzen thematischen Inputs viel über die Lokalgeschichte – von Napoleon über National­so­zia­lis­mus bis zur DDR – gesprochen. Drittens war es einfach eine sehr schöne Wanderung. Und beim nächsten Mal packen wir noch das schwarz-rote Liederbuch ein!

Falls ihr Interesse habt, an einer der nächsten Wanderungen teil­zu­neh­men, oder gerne auf den News­let­ter der Wandergruppe gesetzt werden möchtet, meldet euch unter: fauj-wandern@fau.org

FAU-Wandergruppe Jena, 24. September 2017