Im Oktober fanden zum vierten Mal die vor allem von Pekari organisierten Alternativen Orientierungstage (ALOTA) an der Uni Jena statt. Eine Auswertung ist von der Orga-Gruppe ausdrücklich erwünscht. Da ich es wichtig finde, Ereignisse wie die ALOTA, die für die autonome Bewegung in Jena als ganze von Bedeutung sind, auch in dem breiten Rahmen zu diskutieren, habe ich den folgenden Text zum (1) Politikstil, (2) der gesellschaftlichen Relevanz, der (3) politischen Ausrichtung und (4) Organisationsweise der ALOTA geschrieben.
(1) Die ALOTA hat knapp einen Monat lang auf dem Campus, aber auch an anderen Orten linke Inhalte im weitesten Sinne sichtbar und linke Gruppen ansprechbar gemacht. Das beste Beispiel dafür ist das Couchcafé, das für eine Woche lang mitten auf dem Campus eine offene Anlaufstelle darstellte, wo sowohl „Ältere“ als auch „Neue“ hingehen und sich austauschen konnten. Mein Eindruck ist, dass wir, also die in Jena aktiven Gruppen und Organisationen, so mit zahlreichen Leuten in Kontakt treten konnten und umgekehrt. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit und hier war die ALOTA in meinen Augen wegweisend!
(2) Die ALOTA ist aus dem studentischen Millieu heraus entstanden und richtet sich auch an dieses. Es gibt gerade in Jena die Selbstkritik, dass wir als Bewegung zu oft auf dem Campus hängen bleiben und mit anderen Millieus nicht in Kontakt treten. Das stimmt und insofern war es toll, dass die ALOTA versucht hat, auch andere Räume als bloß Uni-Räume zu erschließen. Dennoch ist es wichtig, dass die ALOTA auf dem Campus verankert bleibt. Warum? Weil der Campus erstens mit der zunehmenden politischen Polarisierung immer mehr zu einem politischen Kampffeld wird. Verschiedene politische Bewegungen machen hier aktiv Propaganda und beeinflussen damit eine für Jena bedeutende Bevölkerungsgruppe: die Studierenden. Daraus entstehen auch Konflikte. Nehmen wir das Beispiel von Halle, wo die neofaschistische Identitäre Bewegung in unmittelbarer Nähe zum Campus ein Hausprojekt aufgemacht hat und regelmäßig gezielte Aktionen auf dem Campus macht. Hier ist es in den letzten Monaten mehrfach zu militanten Auseinandersetzungen gekommen. Soweit ist es in Jena nicht, aber soweit sollte man es auch nicht kommen lassen. Zweitens ist der Campus auch ein gesellschaftliches Kampffeld, in dem die studentischen Interessen mit denen des Uni-Apparats kollidieren. Hier hat beispielsweise das Couchcafé gezeigt, dass es bei den Studierenden das große Bedürfnis nach einem selbstverwalteten studentischen Raum zum Treffen, Kennenlernen und Quatschen gibt. Hier könnte man mit einer Kampagne zur Erkämpfung eines solchen Raums anknüpfen, denn der Frei(t)raum, mit dem die letzten Unibesetzungen abgespeist worden sind (und der vor ein paar Monaten in die Raumverwaltung eingegliedert und damit institutionalisiert und uns weggenommen wurde), wird diesem Bedürfnis in keinster Reise gerecht.
(3) Wie schon angesprochen, hat die ALOTA eine Plattform für im weitesten Sinne linke Inhalte geboten. Genau hier sehe ich aber das Problem. Denn mit diesem vagen Verständnis von links wurde Gruppen und Organisationen Platz gemacht, die zumindest meinem Verständnis selbstorganisierter sozialer Bewegung nicht nur nicht entsprechen, sondern ihm widersprechen. Die Filiae Acediae ist eine neokonservativ-antideutsche Gruppe, die in den letzten Jahren mit ganz klar rassistischen, antifeministischen, militaristischen und staatsloyalen Positionen aufs Übelste gegen die ALOTA und andere Veranstaltungen sowie gegen linke Demos gehetzt hat. Ich wundere mich, warum solche Leute immer noch toleriert werden. Dieses Jahr waren außerdem das Hochschulinformationsbüro (HIB) des DGB, die Linkspartei-Studierendenorganisation SDS und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) im Programm. Abgesehen davon, dass HIB/DGB und RLS/SDS/Linkspartei eine im besten Falle staatssozialistische Einstellung haben und seit Ende 2014 in die rot-rot-grüne Regierung verstrickt sind und damit Teil der Herrschenden geworden sind, haben sie doch alle Möglichkeiten, in den offiziellen Einführungstagen der Uni oder in den eigenen Räumlichkeiten aufzutreten. Wenn ich mich richtig erinnere, wollte die ALOTA, als sie 2014 gestartet wurde, radikale politische Inhalte fördern und den Gruppen Raum geben, die sonst eben keinen kriegen. Letzteres gilt auch für die staatlich ausfinanzierten NGOs wie Mobit oder Kokont. Hier finde ich, hat sich die ALOTA – wiederholt, aber dieses Mal eben noch mehr – einen Teil des Establishments eingeladen und an dieser Stelle würde ich mich über eine Auseinandersetzung um die politischen Werte der ALOTA freuen.
(4) Zu guter Letzt will ich die von der ALOTA-Orgagruppe geäußerte Kritik aufgreifen. Der Anspruch war und ist, eine selbstorganisierte Plattform der autonomen Bewegung an der Uni zu sein. Tatsächlich ruhen sich aber fast alle Gruppen – und da muss ich mich selbstkritisch dazuzählen – auf der Arbeit aus, die in erster Linie von Pekari geleistet wird. Mein Eindruck war, dass es viel zu viel Arbeit und Stress war und wir die Leute von der Orgagruppe damit allein gelassen haben. Insofern wäre es angebracht, dass wir – zumindest wenn wir den Anspruch der Selbstorganisation ernst nehmen – uns nächstes Jahr mehr in die ALOTA-Organisation einbringen.
Die ALOTA ist also ein wichtiges und gelungenes Projekt der autonomen Bewegung in Jena. Für die Zukunft stellt sich aber die Frage, ob andere Gruppen sich aufraffen und an der Organisation beteiligen können und wollen und inwieweit sich die politische Ausrichtung der ALOTA verhandeln lässt oder sie sich in den nächsten Jahren immer weiter sozialdemokratisiert.