von Break Isolation
Mit Veranstaltungen in Erfurt und Jena haben Break Isolation und die FAU einen vorläufigen Abschluss für einen seit 2016 andauernden Kampf gegen rassistische Gewalt im Erfurter Süden formuliert. Ein dort beschäftigter Schulsozialarbeiter hatte zunächst erfolglos alle möglichen Register gezogen, um der ausufernden Gewalt mehrerer rechter Schüler*innen zu entgegnen. Letztlich wurde er selbst zum Angriffsziel der Nazis und seines Arbeitgebers Perspektiv e.V., der ihn erst gegen seinen Willen versetzte und dann innerhalb von sechs Wochen dreifach kündigte und anzeigte. Break Isolation hat als antrassistisches Netzwerk den Kampf im Erfurter Süden begleitet, während die FAU im Rahmen einer Kündigungsschutzklage die Rücknahme der Strafanzeige und die Zahlung einer überdurchschnittlichen Abfindung erwirkte.
Die Bilanz ist dabei äußerst ernüchternd: die Schüler*innen, die aus rassistischen Gründen wiederholt angegriffen wurden, haben keinerlei Rückhalt von der Schule erhalten und haben teilweise deshalb vorzeitig die Gemeinschaftsschule 4 im Herrenberg verlassen. Die rechten Täter traf hingegen keinerlei negative Konsequenzen. Der einzige Verbündete der Betroffenen, der Schulsozialarbeiter, wurde selber angegriffen und verlor dann noch seinen Job wegen seiner antirassistischen Haltung. Alle möglichen involvierten Organisationen haben es trotz ihres Wissens um die Zustände nicht gewagt, öffentlich Stellung zu beziehen. Genausowenig reagierten Schulamt, Jugendamt oder Bildungsministerium auf informierende Anschreiben.
Im Herrenberg konnte daher leider die Tagesordnung beibehalten werden: 500m gegenüber der Schule lädt der Naziverein „Volksgemeinschaft“ weiterhin Jugendliche, Anwohner*innen und ihr Stammpublikum aus Kreisen von Nazihooligans und Die Rechte zu Abendveranstaltungen oder Kampfsporttraining ein. Rechte Übergriffe finden im Viertel nach wie vor statt. Der Herrenberger Ortsteilbürgermeister ist mittlerweile auch wieder Mitglied der Linkspartei, nachdem er zwischenzeitlich ausgetreten war. Mit dem Austritt hatte er ursprünglich dagegen protestieren wollen, dass ihm die Stadtregierung und seine eigene Partei keine zusätzlichen Mittel für soziale Angebote bieten wollten. Die forderte er ein, um den Kümmerer-Angeboten der Nazis etwas entgegenzusetzen. Ohne dass sich etwas geändert hätte, ist er wieder eingetreten und hat ein Stadtratsmandat übernommen.
Als Konsequenz aus den hier angerissenen Erfahrungen konnten die beteiligten Aktivisten in den Veranstaltungen Ende Januar in Jena und Erfurt vor allem ein Fazit ziehen: So sehr auch probiert wurde, größere Medien, Großgewerkschaften, etablierte Organisationen und Einzelpersonen aus Behörden oder Verbänden zu deutlichen Stellungnahmen oder zum Eingreifen zu bewegen — am Ende war einzig auf die eigenen, selbstorganisierten Strukturen Verlass. Die größte Öffentlichkeit schuf ein Flyer, der von Break Isolation auf dem Herrenberger Stadtteilfest im Juni 2017 verteilt und später im Netz gepostet wurde. Und der Arbeitgeber Perspektiv e.V. knickte erst dann ein, als die FAU mit Pressemitteilungen, Anschreiben an die Beschäftigten und einer Kündigungsschutzklage auf den Plan trat. Bis dahin hatten die Aktivisten vergeblich auf das Handeln von Fernsehredakteur*innen, Ver.di, einem Rechtsanwalt und vielen mehr gewartet. Gemessen an der Bedrohlichkeit der Situation im Erfurter Süden und dem schweigenden Zusehen aller denkbaren Akteur*innen fällt es schwer, die kleinen eigenen Erfolge als positive Bilanz zu begreifen.
Letztlich sollte nun mit den Veranstaltungen und einem umfassenden Online-Dossier zu dem Thema das ganze Wissen und die Verantwortung weitergegeben werden. So wenig wie die Nazis das Hauptproblem sind, sollten die Betroffenen die Verantwortung für die Bearbeitung der Verhältnisse alleine tragen — wir alle sind gefragt.
Online-Dossier: breakisolation.blogsport.de/herrenberg