Rechtswidrige Durch­su­chung­en und Platzverweise gegen Jugendliche: Wer will als erstes klagen?

Mit dem anlasslosen Einkesseln einer Gruppe Jugendlicher auf dem Uni­campus hat die Jenaer Polizei das bereits hohe Maß an Willkür ein wei­teres Mal überschritten. Über rund eine Stunde wurden am 26.1.2018 gegen 18 Uhr min­des­tens 20 Jugendliche eingekesselt, ein­zeln durchsucht und dann mit Platzverweisen und Hausverboten weg­geschickt. Die Maßnahme der offen­bar bereitstehenden Erfurter Bereitschaftspolizei hatte keinerlei rechtliche Grundlage. So wurde vor Ort behauptet, es hätte ein „Amts­hilfeersuchen“ der Goethe Galerie ge­geben. Dort hätte jemand rum­geschrien. Wie aus dem Sicher­heits­dienst einer Einkaufspassage ein „Amt“, also eine staatliche Be­hör­de, wird, könnte nur die Polizei erklären. Weil sie das offen­bar nicht kann und selbst im Falle des Rum­schreiens die Maßnahme gegen alle auf dem Campus anwesenden Ju­gend­lichen offen­sichtlich rechts­wid­rig wäre, sagt die Po­lizei lieber gar nichts zu dem Vorfall.

Schon seit einiger Zeit setzt die Stadt Jena alles daran, Jugendliche aus dem öffentlichen Raum zu ver­treiben. Die Mittel dafür sind viel­fältig: Ständige Durchsuchungen auf offener Straße oder im Park, Buß­gelder für das Abspielen von Musik, drohende Ansprachen durch den Zentralen Ermittlungs- und Voll­zugs­dienst (ZEVD) und Platz­verweise für allgemein zugängliche öffent­liche Plätze. Ermutigt durch Kom­mentarspalten-Rassist*innen, eine AfD, die durchgängig Land­tagsanfragen zu vorgeblicher Kri­mi­nalität durch Jugendliche mit Flucht­hintergrund stellt und eine OTZ, die aus einer Polizeimeldung eine „Flüchtlingsdebatte“ machen will, bläst die Polizei nun zur Jagd auf Jugendliche.

Doch auch politisch organisierte Jugend­liche sind im Fokus der Rep­ressionsbehörden: Nachdem die Ju­gend gegen Rechts am 16.12.2017 eine Kundgebung und Spontan­de­mo gegen Polizeigewalt organisiert hatte, gab es wegen vermeintlicher Pyro­technik auf der Demo einen öffent­lichen Aufruf der Polizei zum Ein­senden selbstgemachter Handy­videos. Und als selbige Jugend­gruppe im Rahmen eines Work­shop­tages einen legalen und ange­mel­deten Graffitiworkshop orga­nisierte, sprengte die Polizei kur­zer­hand die Veranstaltung und lei­te­­te Ermittlungsverfahren gegen die Veranstalter*innen ein.

Als Rote Hilfe rufen wir zur Soli­da­ri­tät mit der Jugend gegen Rechts und mit allen von Polizeischikanen betroffenen Jugendlichen auf. Wei­ter­hin möchten wir Betroffene der Maßnahme auf dem Unicampus vom 26.01.2018 dazu ermutigen, gericht­lich die Rechtswidrigkeit fest­stellen zu lassen. Da die Polizei allen Informationen zufolge nicht im Rah­men der Strafverfolgung tätig war, hätte sie höchstens auf Grund­lage der Gefahrenabwehr im Rah­men des Thüringer Polizei­auf­gaben­gesetzes (PAG) agieren können. Die­ses bietet jedoch bei bestem bzw. schlechtestem Willen keinerlei Hand­habe, um willkürlich alle Min­der­jährigen auf dem Unicampus in ei­nen zeitweisen Gewahrsam zu neh­men, sie im Nieselregen aufs T-Shirt zu entkleiden, zu durchsuchen und Platzverweise auszusprechen. Wer dagegen mittels einer Fest­stel­lungs­klage vors Verwaltungsgericht zie­hen möchte, ist hiermit ein­ge­la­den, mit uns und unseren An­wält*­innen in Kontakt zu treten. Die Er­folgs­aussichten dieser Klage sind sehr hoch, weshalb auch alle Kos­ten des Verfahrens wahr­schein­lich am Ende vollends der Freistaat Thüringen tragen wird. Und auch wenn nicht, werden wir We­ge finden, diese Kosten solidarisch zu tragen.

Wichtiger als individuelle Klagen ist eine politische Organisierung gegen die­se Zustände. Die Polizei und ihre täg­liche Gewalt wird niemals durch Ge­richte zu stoppen sein. Wenn aber Einzelne mit Begleitung einer kri­tischen Öffentlichkeit den Kla­ge­weg gehen, kann die ent­spre­chen­de Entscheidung auch für andere Wirkung entfalten und ein Beitrag zum Selbstschutz sein.