von einem solidarischen Mieter
Obwohl ich selbst nicht Teil der unten aufgeführten Initiativen bin, sondern diese nur unterstütze, möchte ich mit diesem Text eine strategische Diskussion zu Mietkämpfen in Jena anstoßen. Ich möchte dabei eine mögliche langfristige Perspektive aufmachen und zwar die des Aufbaus einer Mietergewerkschaft.
Mieterinitiativen des letzten Jahres
Seit 2014, vor allem aber seit 2017, sind aus der Bewegung heraus Gruppen entstanden, die das Mietverhältnis politisieren und sich klar auf Seiten der Mieterinteressen positionieren. 2014 wurde die Gruppe Recht auf Stadt Jena gegründet. Aktuell unterstützt sie eine Mieterin im Alten Gut Zwätzen, die sich gegen ihre Entmietung durch die Wohnungsverwaltung wehrt. Im Rahmen dessen fand am 21. Dezember 2017 eine Kundgebung vor dem Büro der Engelmann-Immobilienverwaltung in der Löbstedter Straße statt.
Seit letztem Jahr bemüht sich die Initiative Demokratische Genossenschaft von Mieter_innen der Jenaer Baugenossenschaft (JBG) in Jena-Süd darum, den ursprünglichen Genossenschaftsgedanken wieder stark zu machen, d.h. die JBG zu redemokratisieren. Forderungen sind u.a. die Selbstverwaltung durch die Mieter_innen und die Übernahme von sozialer Verantwortung, d.h. die Öffnung der Genossenschaft hin zu sozial benachteiligten und rassistisch diskriminierten Wohnungssuchenden. Die Initiative versucht, über einen Graswurzelprozess mehr Mieter_innen der JBG zu organisieren.
Im März hat eine Initiative von Mieter_innen von JenaWohnen in Lobeda einen Protest gegen die aktuelle Mieterhöhung gestartet. Am 3. April fand sogar eine Kundgebung auf dem Holzmarkt statt. Neben dem Protest finden Mietertreffs statt, zu denen offen eingeladen wird.
Auch erwähnen möchte ich hier den Wagenplatz Radaue, der es in den Monaten bis März 2018 über eine breite Kampagne geschafft hat, eine Duldung des Wagenplatzes bis Oktober 2018 zu erkämpfen. Der Wagenplatz hat Kundgebungen und Demos, eine Petition und einen Einwohnerantrag organisiert, sich mit zig offiziellen Stellen getroffen und viel Öffentlichkeit geschaffen. Außerdem hat der Wagenplatz sich nicht als rein gegenkulturelles Projekt positioniert, sondern Bezüge zur Miet- und Wohnsituation in Jena hergestellt.
Alle diese Initiativen haben sich bei der Mietparade und Recht-auf-Stadt-Messe vom 10. März 2018 vor dem Volksbad getroffen.
Von Basisinitiativen zur Mietergewerkschaft
An dieser Stelle stellt sich die Frage der Strategie. Wohin soll das Ganze führen? Selbstverständlich müssen die bestehenden Initiativen erstmal konsolidiert werden. Außerdem sollten neue Initiativen in anderen Baugenossenschaft und Wohnungsgesellschaften oder in einem Stadtteil angestoßen werden. Aber danach?
Mein Vorschlag wäre es, diese Basisinitiativen irgendwann organisatorisch in einer Mietergewerkschaft zusammenzuführen. Eine Mietergewerkschaft wäre eine Organisation mit formalen Strukturen wie Mitgliedschaft mit Mitgliedsbeiträgen, einer Vollversammlung mit Protokollen, mandatierten Sekretär_innen, einer Gewerkschaftskasse und einem eigenem Raum.
Diese Organisationsmodell hätte folgende Vorteile:
1. Allein durch die unabhängige Kasse würde praktisch Gegenmacht aufgebaut: Man ist nicht mehr von Geldgebern abhängig, kann eigene Projekte finanzieren, sich auch mal einen Anwalt leisten, ein eigenes Lokal oder Büro finanzieren usw.
2. Durch die Formalisierung wird die Aufgabenverteilung transparent gemacht und steigt die Verbindlichkeit.
3. Durch klare Aufgaben- und Arbeitsteilung können sich Leute tiefer in Teilgebiete einarbeiten, z.B. in das Mietrecht, Recherche zum Mietmarkt und Wohnungspolitik in Jena, Öffentlichkeitsarbeit usw.
4. Eine formelle Organisation kann für viele Leute inklusiver sein, weil sie das schon ein bisschen aus der ehrenamtlichen Vereinsarbeit kennen, während Politgruppen und Netzwerke sich Vielen nicht erschließen. Außerdem können sich auch Leute, die wenig Kapazitäten haben, durch die transparenten Prozesse einbringen. Sie müssen nicht auf jedem Plenum oder mit den Wortführer_innen gut befreundet sein, um am Ball zu bleiben.
5. Auf diese Art können sich mehr Menschen gemeinsam organisieren als in Politgruppen oder losen Netzwerken und genau das brauchen wir ja, dass sich mehr Mieter_innen organisieren.
6. Neben fallbezogenen Forderungen wie der Verhinderung von Entmietungen oder der Redemokratisierung von Genossenschaften könnte eine Mietergewerkschaft langfristige politische Druckkampagnen wie z.B. für sozialen Wohnbau oder Mietobergrenzen verfolgen.
Diese ganze Formalisierung verhindert übrigens nicht, dass der bisherige Aktivismus aufhören muss. Im Gegenteil, er findet einfach in einem anderen organisatorischen Rahmen statt. Die Mietergewerkschaft kann sich natürlich in eigene AGs oder Sektionen aufteilen. So könnten die bestehenden Basisinitiativen ihre Eigenständigkeit und ihre Identität beibehalten.