Der Kampf gegen den NSU hat gerade erst angefangen

von Kevin

Nach gut fünf Jahren ist am Ober­landesgericht München am 11. Juli der Prozess gegen Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds zu Ende gegangen. Fünf der Ange­klagten wurden zu folgenden Strafen verurteit: Beate Zschäpe hat als Mittäterin bei den Morden, Bombenanschlägen und Raub­über­fällen des NSU lebenslänglich ohne Sicherheitsverwahrung gekriegt. Ralf Wohlleben hat wegen Beihilfe zum Mord und als Unterstützer einer terroristischen Vereinigung 10 Jahre gekriegt. Er wurde Mitte Juni bis zur Verbüßung der Reststrafe entlassen. Carsten Schulze, ein geständiger Aussteiger, hat wegen Beihilfe zum Mord und Unter­stüt­zung einer terroristischen Verei­ni­gung 3 Jahre gekriegt. Holger Ger­lach wurde wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ebenfalls zu 3 Jahren verurteilt, André Eminger zu 2,5 Jahren.

Am selben Tag fand in Jena eine von verschiedenen Gruppen orga­nisierte Kundgebung auf dem Holzmarkt statt, das Motto: Kein Schlussstrich! Auf der Kundgebung wurde die Kritik vertreten, die in den letzten Jahren von ver­schie­de­nen Bewegungen, von den Terror-Opfern und ihren Neben­klage­an­wält*­innen am ganzen Prozess entwickelt worden war. Die Staats­an­waltschaft und das Gericht haben die Existenz eines breiten bewaffneten und Unterstützer-Netzwerks der Neonazis vertuscht und sprechen stattdessen von ei­nem Trio, das als relativ isolierte Gruppe die Anschläge begangen habe. Die staatliche Unterstützung des NSU-Terrors wurde unter den Teppich gekehrt ebenso wie die Rolle der Polizei, die rassistisch motiviert in migrantische Kreise hinein ermittelte und die Ange­hö­ri­gen so ein zweites Mal zum Opfer machte. Auch der gesellschaftliche Ras­sis­mus, der all das – ein Neo­nazi-Terror-Netzwerk, dessen staat­liche Unterstützung, die rassis­ti­schen Polizeiermittlungen und Be­richt­­er­statt­ung in der Presse – erst möglich machte, spielt im Urteil keine Rolle.

So versucht der Staat, unter der ganzen Angelegenheit einen Schlussstrich zu ziehen. Für uns steht aber fest: Der NSU-Terror ist nicht vorbei! Der NSU war wie gesagt keine isolierte Gruppe. Der NSU war eine Gruppe, die aus einem deutschlandweiten und internationalen bewaffneten Un­tergrundnetzwerk der Neonazis heraus entstanden ist. Dieses Netzwerk besteht weiter. Im Mai 2015 wurde die Oldschool Society aufgedeckt und festgenommen, noch bevor sie ihren geplanten Anschlag auf eine Asylunterkunft in Borna umsetzen konnte. Im April 2016 wurde die Gruppe Freital hochgenommen, die 2015 und 2016 Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte durchgeführt hat­te. Und dieses Netzwerk ist näher dran an uns, als wir denken. Wie das Recherche-Kollektiv Exif in seiner umfangreichen Recherche zur bewaffneten Neonazi-Orga­ni­sation Combat 18 (C18) aufgedeckt hat, sind mit Sebastian Dahl aus Kahla, der Neonazi-Bruderschaft Turonen/Garde 20 und dem Gelben Haus in Ballstädt auch unsere Thüringer Neonazis Teil des inter­na­tionalen C18-Netzwerks. Zwei­tens sind mehrere Nazis, die in den NSU-Komplex verwickelt waren, weiter politisch aktiv, teilweise wohnen sie auch ganz in der Nähe, z.B. André Kapke.

Momentan gibt es in Jena eine Kam­pagne zur Errichtung eines Denkmals mit Bezug zum NSU-Terror. Dem stehe ich skeptisch gegenüber. Denn dahinter steckt der strategische Gedanke, dass wir den Staat zur Anerkennung des NSU-Terrors bringen. Ist das aber unsere Aufgabe? Was erhoffen wir uns davon? Ich finde, wir sollten vielmehr alle Energie darein in­ves­tieren, eine kämpferische und lebendige unabhängige Antifa-Be­we­gung aufzubauen, die dann in ihren Publikationen und in ihren Aktionen, in ihrem Widerstand gegen faschistische und staatliche Strukturen, also in ihrer gelebten Praxis immer wieder auf den NSU und dessen staatliche Unter­stüt­zung hinweist und der Opfer gedenkt.

Und das ist nötiger denn je, denn der NSU existiert wie gesagt weiter und so eine Bewegung gibt es ge­rade nicht. Es gibt in Jena zwar immer mal wieder eine spontane Gegenaktion, aber keine langfristig organisierte Politik, keine basis­orien­tierte antifaschistische Arbeit, keine ansprechbare und hand­lungs­fähige Gruppe. Das wäre das beste Gedenken an den NSU und seine Opfer: die Wiederbelebung antifaschistischer Bewegung in unserer Stadt!