Immer wieder Weimar

Neue Berichte über Misshandlungen, Homofeindlichkeit und Korruption bei der Weimarer Polizei – von Philipp

In der TAZ erschien am 30. Oktober 2020 eine Recherche, aus der neue Vorwürfe gegen die Weimarer Polizei hervorgehen. Es ist kein halbes Jahr her (30. Mai), dass dieselbe Zeitung einen Vorfall veröffentlichte, bei dem eine be­reits zuvor traumatisierte Min­der­jäh­rige bei einer grundlosen Haus­durch­suchung von den Beamten misshandelt wurde. Außerdem wur­de damals von einem Weimarer Polizisten berich­tet, der als Rassist und Versender sexuell expliziter Fo­tos an junge Frauen bekannt ge­worden war. Der neue Bericht han­delt von Beamten, die im Dienst auf sadistische Art Menschen miss­handeln, Kolleg*­in­nen homo­feindlich beleidigen und beschlag­nahmte Drogen ver­schwind­en lassen.

Wir hatten bereits in früheren Aus­gaben zur massiven Polizei­gewalt gegen verhaftete junge Punks (AIBJ #11) und zu der in Misshandlungen mündenden Haus­durchsuchung be­rich­tet. Daher ist es an dieser Stelle überflüssig, erneut ins Detail zu gehen, was die Taten der Weimarer Uniformierten angeht. Neu an den Berichten ist keinesfalls die Gewalt. Wer sich darüber betroffen zeigt, hat ent­weder bis jetzt sich selber belogen oder alle um sich herum. Das System Polizei mit seiner Fülle an Herr­schafts­mitteln, Gewalt und Unkontrol­lier­bar­keit kann nichts anderes hervorbringen als die täglichen 1000 widerwärtigen „Einzel­fälle“.

Neu ist nur das Ausmaß an Angst vor der Polizei, das durch den Bericht offenbar geworden ist. Nicht nur sind es aktive Kolleg*in­nen der benannten Täter, die sich aus purer Verzweiflung über die Tatenlosigkeit ihrer bestens unter­richteten Vorgesetzten an die TAZ wandten. Im Bericht werden auch Weimarer Bürger*innen genannt, die aufgrund von außerdienstlichen Konflikten mit einem der Polizisten handfeste Drohungen erhielten und sich manifest vor der Polizei fürch­ten. People of Colour, Linke, Punks und viele andere marginalisierte Gruppen haben von den dunkel­blauen Schläger*innentrupps schon lange nichts Gutes zu erwarten. Dass es aber nun auch bürgerliche Familien und Polizist*innen selber sind, die sich fürchten, ist tat­sächlich neu.

Im Sinne des Erhaltes dieser grund­falschen Ordnung wird nun aus verschiedenen Blickwinkeln wieder einmal die „Beschwer­de­stelle“ der Polizei diskutiert. Damit wird das Fernliegendste überhaupt getan, wenngleich es im Sinne des Systems der Herrschaft konsequent ist. In den USA wird sogar in libe­ra­len Kreisen die Idee eines „Defun­dings“, also des finanziellen Aus­trock­nens von Polizeibehörden diskutiert. Nicht jedoch in Deutsch­land. Trotzdem wollen wir an dieser Stelle mal an das Naheliegendste denken und entsprechende Forde­run­gen und Perspektiven formu­lieren:

Die Weimarer Polizeiinspektion gehört ersatzlos dichtgemacht. Die Räumlichkeiten werden zu ei­nem Multifunktionszentrum umge­baut, in dem Infoläden, Semi­nar­räume, Sporträume und Infra­struk­tur für politische Befreiungskämpfe eingerichtet werden. In unmittel­barer Nachbarschaft zum Kultur­zent­rum E-Werk und dem noch um­zu­widmenden Riesenkomplex At­rium entstehen völlig neue Syner­­gie­effekte.

Die Uniformierten gehören ent­waffnet und die Waffen lokalen Selbstverteidigungs­komitees über­geben. Ein Teil sollte sobald wie möglich an die YPG/YPJ weitergegeben werden. Auch wenn sich die Migrantifa in Deutschland zum Selbstschutz bewaffnen wollen sollte, könnten die Weimarer Be­stände ein guter Anfang sein.

Die ex-Polizist*innen werden scho­nungslos mit ihrer Rolle als Beschützer*innen der Ge­walt von Staat, Kapital und Patriar­chat konfrontiert und gemei­n­sam mit emanzi­pa­to­ri­schen Trainer*innen zu Me­dia­tor*­innen und Konflikt­trai­ner*­innen umgeschult. Ihnen wird außer­dem ein Lebensunterhalt in alternativer Beschäftigung in Aus­sicht gestellt, wenn sie mit ihren Fähig­keiten an zukünftigen Ent­eignungen und Umverteilungen teil­nehmen. Sie werden drittens da­zu ermutigt, in einem zu­künftigen Bildungssystem der jun­gen Generation als Zeit­zeugen des Zeit­alters der Herrschaft zur Ver­fügung zu stehen.

Der zum Vizebürgermeister auf­gestiegene frühere Poli­zei­chef Ralf Kirsten, der die Miss­hand­lungen und Täter*innen auf­wendig deckte, wird im Rah­men einer Rathausräumung aus seinem Büro gejagt. Ihm wird die Chance gegeben, sich in Un­garn ein neues Leben auf­zubauen.