Sind wir Linken Schuld an Querdenken?

Ein kurzer Kommentar von Kevin

Manchmal hört man die Kritik, dass wir Linken die Corona-Maßnahmen nicht kritisieren und dass des­we­gen die aufgewühlten Leute Quer­den­ken und den Neonazis in die Arme laufen. Ich sehe das nicht so. Denn es ist überhaupt nicht so, dass die radikale Linke nichts ge­gen die Maßnahmen und ihre Fol­gen tun würde.

Ein paar Beispiele aus Jena: Die FAU und das Frauenstreik-Bünd­nis unterstützen Arbeiter:­in­nen gegen die Folgen der Ein­schrän­kungen und gegen Kür­zungs­programme. Die antiras­sis­tische Szene hat Demos für die Rechte der Flüchtlinge in den Lagern gemacht. Die GG/BO-Soligruppe hat die Gefangenen in den Forderungen nach Haftent­las­sungen und Infektionsschutz in den Knästen unterstützt. Die antiau­to­ri­täre Szene hat die erste illegale Demo gemacht und durch ihre Klagen zum Kippen des Demo-Ver­bots beigetragen und danach die erste legale Demo gemacht – und so die Versammlungsfreiheit ver­teidigt. Es gab Initiativen zur Nach­bar­schaftshilfe und die Ultras ha­ben die Tafel tatkräftig unterstützt. Das Bündnis „Krankenhaus statt Fa­brik“ fordert eine bessere Finan­zierung und personelle Auslastung im Gesundheitswesen. Es bildet sich derzeit Protest gegen an­ge­dach­te Sparmaßnahmen auf Kom­munalebene.

Als Bewegung bekämpfen wir also in den jeweiligen Bereichen sehr wohl gewisse Maßnahmen und negative Folgen. Nur tun wir keine reine Anti-Corona-Bewegung grün­den. Wozu auch? Corona hat ja ein­fach die bestehenden Missstände ver­schärft. Also macht es doch total Sinn, dass wir dort, wo wir die­se Missstände ohnehin be­kämpfen, dies einfach weiter tun.
Außerdem ist es vielleicht ein bisschen so wie beim Ras­sis­mus-Thema. Wenn wir unseren Mit-Ossis mehr zugehört und ihnen den Bauch gepinselt hätten, wären sie dann keine Rassisten mehr? Wenn wir den rechts-abgedrifteten Quer­den­ker:innen mehr zugehört und ihre Aktionen unterstützt hätten, würden sie dann ihren Feldzug Hand in Hand mit den Neonazis gegen die Wissenschaft beenden? Ich denke nicht. Ich befürchte, es gibt bei einigen Leuten Res­sen­ti­ments, Vorurteile und Ein­stel­lun­gen, die wir mit den besten An­geboten nicht überwinden können.

Daher finde ich gut, dass Quer­denken in Jena von der linken Szene konsequent klein gehalten wird und wir gleichzeitig auf unsere – rationale und progressive – Art die derzeit verschärften Missstände angreifen.