Staatliche Repression und Demo-Bericht

von Kevin

Anlässlich der autonomen Aktionen zwischen Herbst 2020 und Frühjahr 2021 (siehe der vorhergehende Beitrag im Heft) hat der Staat seine Repressionsmaschinerie ange­schmis­sen. Hier ein Kurzüberblick, da­mit wir uns vergegenwärtigen, wo­mit wir es zu tun haben und wo­rauf wir achten sollten.

Nach der Randale vom 13. März 2021: Die Polizei patrouilliert über mehrere Tage verstärkt im Innenstadtgebiet. Der SPD-Innenminister Georg Maier besucht medienwirksam den Tatort und verurteilt die Gewalt als „hinterhältigen und gezielten Angriff auf Gewerbetreibende in Jena“. (Kommentar eines Genossen: „Wenn die Ex-Arbeiterpartei SPD schon keine Angriffe auf die Gewerbetreibenden mehr unternimmt, müssen es wohl die Autonomen tun.“) In Erklä­run­gen von Parteien und in Pres­se­artikeln wird die Gewalt verurteilt; die FDP veröffentlicht eine Er­klä­rung gegen den angeblichen „linksmotivierten Alltagsterrorismus“ in Jena. Die Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen wegen Landfriedensbruch ein. Dazu gründet die Polizei eine Sonderkommission mit 14 Beamten. Die Kommune lobt eine Belohnung von 3.000 Euro für sachdienliche Hinweise aus. Mit Unterstützung der Sparkasse wird die Belohnung bis Sommer 2021 auf insgesamt 15.000 Euro erhöht. In der Stadt werden an verschiedenen Orten Fahndungsplakate mit Bildern der Sachschäden verklebt. Leute, die der linken Szene zugeordnet werden, erhalten Vorladungen zur Abgabe ihrer DNA.

Mitte April erhält ein seit Februar 2021 inhaftierter linker Fußballfan von der Polizei einen Brief an seine Heimadresse in Jena. Darin wird er aufgefordert, der Poli­zei Informationen über die Täter der Randale vom 13. März zu geben. Die Polizei erwähnt auch, dass es 3.000_€ Prämie für hilf­reiche Informationen gebe.

Im Mai 2021 veröffentlicht die Rote Hilfe Ortsgruppe Jena, dass die Polizei in oder um Jena herum eine Vertrauensperson führt. Das ist jemand aus der linken Szene, der die Bullen mit Infos versorgt. Die Rote Hilfe weist darauf hin, dass man nun keine Panik schie­ben und niemanden wild be­schuldigen, sondern bei einem konkreten Verdacht das Gespräch mit Vertrauten suchen soll.
Ende Mai 2021 erscheint bei Kripo Live im MDR ein Beitrag über die autonomen Randale in Jena. Darin wird die Bevölkerung zur Denunziation aufgerufen.

Am 1. Juli 2021 durchsucht die Polizei neun Wohnungen. Sie rammt dabei mehrere Wohnungs­türen ein und nach Hörensagen dringt ein Bulle in einem Fall mit gezogener Waffe in die Wohnung ein. Die Bullen veröffentlichen außerdem eine Presseerklärung. Darin heißt es, die Razzien richten sich gegen mutmaßliche Täter der Randale vom 13. März und dass die Bullen die Fangruppen Horda Azzuro und Harakiri verdächtigen. Die Betroffenen werden der linken Szene und den Fußball-Ultras zugeordnet. Später erklärt die Staatsanwaltschaft, dass die Pres­se­­erklärung der Bullen falsch sei. Nicht im direkten Zusammenhang mit den Razzien wird am 1. Juli in Jena eine Person, die der linken Szene zugeordnet wird, von einem Mitarbeiter des Verfassungs­schut­zes angesprochen. Dieser will sie als Informanten anwerben.

Mitte Juli kommt heraus, dass die Bullen bei ihren Ermittlungen wegen der Randale im Rahmen einer Funkzellenabfrage 138.000 Handynummern überprüft haben. 100 davon wurden genauer überprüft.

Am 14. Oktober 2021 durchsuchen die Bullen die Woh­nun­gen von zwei 19-jährigen Frau­en wegen der Anschläge auf zwei Banken am 2. Mai 2021. Im Bekennerschreiben wurde damals als erklärt, dass die Banken den Krieg Erdogans gegen die Kurd:in­nen in Rojava unterstützen. Einer der beiden Durchsuchten wird im Anschluss DNA abgenommen.

Soweit so schlimm. Hinzufügen könnte man auch noch den allgemeinen technologischen Angriff, der uns ja auch in Jena be­trifft: Fingerabdrücke bei neuen Personalausweisen, Staatstrojaner, Überwachungsmöglichkeiten von Handys, verschärfte neue Polizeigesetze und so weiter und so fort.

Es macht ja nun aber keinen Sinn, daran zu verzweifeln oder Zyniker zu werden. Das hilft uns ja nicht weiter. Wir sollten lieber schauen, wie wir uns gegen diese immer schlimmer werdende staatliche Bevormundung wehren können. Und genau deswegen hat es mich sehr gefreut, dass zwei Tage nach den Razzien kurzfristig eine Demo unter dem Motto „Schluss mit den Repressalien!“ stattgefunden hat, von der ich kurz berichten möchte.

Wir waren wohl um die 250 Leute, was ich für eine Mobilisie­rungszeit von einem Tag echt in Ordnung finde. Ich fand’s cool, dass verschiedenste Leute dabei waren, grob gesagt Leute aus der linken Szene und aus der Fußballszene. Die Blau-Gelb-Weiße Hilfe, die Fanhilfe des FCC, hat auch eine stabile Rede gehalten. Das ist echt toll, dass die Zusammenarbeit zwischen den politischen Fußballfans und den Linken weitergeht. Wir waren mit den Fans schon bei den Freiraumdemos 2019 für die Insel, den Wagenplatz, das Geburtshaus, das Towanda und die Südkurve und 2021 gegen die städtischen So­zial­kürzungen zusammen auf der Stra­ße. Auf der anderen Seite haben die Ultras sich, soweit ich gehört habe, auch richtig doll über die unmittelbare Reaktion und die Solidarität der linken Szene mit ihren Leuten gefreut.

Wir haben dann eine ziemlich große Runde gemacht: vom Holzmarkt über den Löbdergraben zur Stadtverwaltung, dann zur Bullenwache am Anger und über das Damenviertel, wo die CDU sitzt, in die Innenstadt und dort über die Johannisstraße zum Engelplatz und zum Volkshaus. Es gab viele coole, spontane und frei gehaltene Reden. Das Zuhören hat echt Spaß gemacht. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Leute echt Bock auf Demo hatten. Schließlich waren Laufdemos bis kurz zuvor per Thüringer Coronaverordnung verboten. Es war also auch die erste Latschdemo seit der illegalen Antira-Sponti vom April 2020.

Die Bullen haben sich bei der Demo total zurückgehalten. Nur der Ordnungsamtschef und ein Oberbulle sind mitgelaufen und der Ord­nungsamtschef hat sich zwi­schen­durch kurz mit ein paar Fußballfans angelegt, um zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Sonst wurden die ganzen Bullenwagen in der Innenstadt versteckt. Klar ist das von den Bullen nur Taktik, Deeskalationsstrategie vom Bes­ten, bis sie das nächste Mal umso doller zuhauen.

Man kann sich ja immer über den Sinn von Demos auslassen. Die hat aber in meinen Augen total Sinn gemacht. Wir haben unmittelbar auf eine richtig miese Razzia reagiert und den Betroffe­nen gezeigt, dass wir auf ihrer Sei­te sind. Und die Betroffenen, von denen ich gehört habe, fanden das auch richtig gut und waren echt dankbar. Außerdem haben wir den Behörden gezeigt: Ihr könnt auf uns draufhauen, aber das Ergebnis wird nicht sein, dass wir uns verkriechen. Im Gegenteil, wir gehen dann extra in die Öffentlichkeit.

Leider müssen wir davon ausgehen, dass es zu weiteren Repressalien kommen wird. Die Demo hat aber zumindest mir Mut gemacht, dass wir uns dagegen ganz gut wehren können.v