Interview mit der Gruppe Rhythms of Resistance Jena (Teil 2)

Bereits für die letzte Ausgabe des AIBJ sprachen wir mit der RoR-Gruppe Jena über Selbstorgani­sierung. Hier folgt nun (leider zu spät für die Bewerbung des Workshops) der zweite Teil des Inter­views.

AIB: Wie genau organisiert ihr euch und mit welchen Prinzipien?
Z: Wir haben einmal in der Woche Probe, machen einmal im Monat ein größeres Plenum, bei dem es um kommende Aktionen geht oder darum, wie es gerade für uns läuft. Darüber hinaus haben wir keine Strukturen, in denen wir uns organisieren. Wir reden vor allem viel miteinander.
K: Wir begreifen uns als Teil des RoR-Netzwerkes, das nach klaren Prinzipien funktioniert bzw. bestimmte inhaltliche Ansprüche hat; da wäre for­male Hierar­chiefreiheit zu nennen – wie das dann informell aussieht, ist ein anderes Thema; weiter­hin ein klarer Fokus auf politische Aktionen und nicht auf Unterhaltung.
Z: Was mit dem Konzept einhergeht ist Internationa­lität, also der Versuch, nicht an nationalstaat­lichen Grenzen festzu­halten, sondern über diese hi­naus aktiv zu sein, sich außerdem mit anderen Kämpf­en in Verbindung zu sehen und sich mit diesen zu solidarisieren.
K: Was sicherlich noch ausbaufähig ist, ist unsere lokale Vernetzung mit anderen Antira-/Antifa-Gruppen. Das ist notwendig, wenn wir in Zukunft aktiv sein wollen.

AIB: Was gibt es für Probleme bei eurer Organi­sierung bzw. der Umsetzung dieser Prinzipien?
K: Die bereits angesprochene Verbind­lichkeit…
Z: …und auch Hierarchien. Wir haben natürlich auch festgestellt, dass wir da vor allem an uns selbst arbeiten müssen, weil es eben noch nicht so funktioniert, wie es die Idealvorstellung wäre. Es gibt schon zwei drei Leute in der Gruppe, denen mehr Wissen oder Erfahrung oder Können zugesprochen wird. Darüber haben wir auch schon geredet und versucht, das Problem ein wenig aufzubrechen oder wenigstens sichtbar zu machen.
K: Aber die Herausbildung informeller Hierarchien lässt sich leider nur schwer vermeiden und ist sicherlich in den meisten selbst­organisierten Zusammen­hängen ein wiederkehrendes Thema.

AIB: Ihr habt gesagt, dass ihr euch über das Plenum hinaus keine weiteren Strukturen geben wollt, son­dern einfach miteinander redet. Über was eigen­tlich?
K: Wir thematisieren und pro­ble­matisieren viel die Dinge, die nicht gut laufen, konnten dabei aber keine abschließenden Lösungen finden, aber wir bringen es immer wieder zur Sprache und es wird auch immer wieder nötig sein, dass wir uns die Probleme bewusst machen.
Z: Und wir reden auch darüber, wie politisch wir eigentlich sind, d.h. wir machen es schon auch zum Thema, wo wir uns politisch verorten. Deswegen stellen wir uns zum Beispiel auch Fragen nach dem Umgang mit Shouting Breaks. Welche und wieviele wollen wir einbauen? Wollen wir einfach nur spielen oder möglichst viele politische Botschaften vermitteln?
K: Wir sprechen auch über unseren Aktions­konsens, d.h. Wie weit sind wir bereit zu gehen? Welche Grenzen wollen wir übertreten und welche nicht?

AIB: Und was ist mit den Gegenständen eurer Kritik; diskutiert ihr auch darüber?
Z: Mh…Würde ich nicht so sagen (lachen). Wir diskutieren schon über bestimmte Themen, aber ich würde nicht sagen, dass wir da besonders tief reingehen. Ich glaube, es gibt, so wie in vielen Gruppen, verschwommene Einigung von „Ja, wir finden Sexismus irgendwie blöd und Rassismus auch und Grenzen auch“, aber so richtig ausdifferenziert haben wir das als Gruppe nicht.

AIB: In Thüringen sind die meisten Aktionen, bei denen sich ein RoR-Einsatz lohnt, antifaschistische Demonstrationen. Nun wird vor allem in bürgerlichen Medien Antifaschismus gern als bunt und tolerant dargestellt. Da passen trommelnde Menschen erst einmal wunderbar hinein. Habt ihr Angst vereinnahmt oder entpolitisiert zu werden bzw. kennt ihr Bei­spiele von anderen Gruppen, denen das schon pas­siert ist?
K: Ja. Ich kenne das aus Erfahrungen mit der anderen Samba-Gruppe, in der ich spiele, wobei ich da auch sagen würde, dass der Vorwurf der Entpo­litisierung zum Teil berechtigt ist. Nicht immer, aber manchmal haben Auftritte dieser Gruppe eine Volks*fest-Stimmung erzeugt, wodurch politische Inhalte in den Hintergrund getreten sind. Die Gefahr ist auf jeden Fall da beim Samba spielen auf Demos. Wir versuchen dem natürlich zu begegnen.
Z: Genau. Deswegen bringen wir möglichst viele Shouting Breaks ein. Außerdem sind wir auch schon von Demo-Orten gegangen, als wir gemerkt hatten, dass sich das gerade zu einer Tanzveranstaltung entwickelt. Wir wollen uns eher autonomen Gruppen anschließen und auch selbst autonom unterwegs sein, anstatt bei den XY-Stadt-bleibt-Bund-Bündnissen mit­zu­laufen. Aber wie über uns berichtet wird, da haben wir relativ wenig Einfluss darauf, aber immer wenn wir sehen, dass eine Kamera oder ein Foto­apparat auf uns gerichtet ist, gehen wir auf jeden Fall hin und sagen, dass wir nicht gezeigt werden möchten im Fernsehen, vor allem nicht mit unseren Gesichtern, weil es uns eben nicht darum geht irgendwas darzustellen oder in den Medien präsent zu sein. Vielmehr wollen wir durch unsere Anwesen­heit Sicherheit geben zum Beispiel bei Blockaden, indem wir Medien anlocken. Dann kann das manchmal ein Schutz sein, was Bullengewalt oder so angeht, wenn wir wissen, dass da Fotografen sind. Aber ja, Angst entpolitisiert zu werden haben wir schon, was aber auch damit zusammen hängt, was als linksradikal gilt.
K: Es ist ja auch nicht unser Anliegen auf einer De­mo bloß zu spielen und Freude zu verbreiten, son­dern ich würde schon sagen, dass wir als Gruppe auch bereit sind, bestimmte Grenzen zu überschrei­ten, die von außen gesetzt werden. Und natürlich wollen wir auch einfach ein akustischer Störfaktor sein, vor allem bei Nazi-Reden.

AIB: Ihr habt es schon angedeutet. Glaubt ihr, dass sich die Entpolitisierung eurer Aktionen in die linksradikale Szene durchzieht? Oder anders: Glaubt ihr, dass RoR in eurem Umfeld als politisch an­gesehen wird oder wurdet ihr sogar ganz konkret schon einmal für eure Aktionen belächelt?
Z: Da möchte ich etwas [von einem Gruppenmitglied, Anm. AIBJ] vorlesen (lacht): „In jedem Fall ist zu merken, dass sich klassische Antifa-Macker mit uns bisweilen sehr wenig identifizieren können. Manche scheinen von Männern* in Feen-Kostümen peinlich berührt zu sein. Das ist traurig, aber auch ein bisschen lustig. Vielleicht können wir ihnen etwas kritische Männlichkeit vermitteln“. Ich glaube, das zeigt ganz gut, was als politisch, als bedeutungs­voll, als radikal, als ernstzunehmend gewertet wird. Dazu gehört halt nicht eine männlich gelesene Person in Kleid und mit Trommel. Und sowieso wird alles, was mit Weiblichkeit konnotiert wird – bunt, Musik etc. – eher abgewertet. Darum wollen wir mit diesen Normen von „radikal = schwarze Hose, schwarze Jacke, schwarze Schuhe, gewaltbereit und militant in den ersten Reihen laufend“ brechen, um genauso radikale Inhalte zu verbreiten, nur auf eine andere Art und Weise.

AIB: Ein Schlusswort?
Z: Was ich noch sagen wollte: Ich finde es immer wieder cool, dass unsere Proben draußen statt­finden. Dabei ist es spannend, dass einmal in der Woche Rufe wie „Nationalismus raus aus den Köpfen“ oder „Alerta, Alerta, Antifascista“ random mitten durchs Wohngebiet schallen und eben nicht nur alle zwei Monate mal, wenn alle bei einer Demo rum­laufen. So kommen diese Rufe auch im Alltag der Leute immer mal wieder ans Ohr.
K: Und wie schon gesagt, sind wir personell schlecht besetzt und wollen die Werbetrommel rühren.
Z: Stimmt. Es gibt jede Woche eine offene Probe.
K: Genau. Und wir werden einen Workshop veran­stalten, der am 16.4., von 14-17h im Freiraum stattfinden wird. Wir sind in jedem Fall offen für neue Leute, die Lust haben, mit uns politische Trommelmusik zu machen. Es werden keine Vorkennt­nisse benötigt (lachen). Kommt einfach vorbei und steigt ein. Ihr könnt uns auch schreiben unter:
samba-resistance-jena@riseup.net