Die Autonome Frauen*bewegung in der DDR

von der AIBJ-Redaktion

Die Existenz einer Auton­­omen Frauenbewegung in der DDR verdeutlicht, dass es um die Emanzipation der Frau im Sozialismus nicht unbedingt zum Besten stand. Tatsächlich blieben auch östlich der Elbe patriarchale Strukturen bestehen. Dagegen rebellierten – wohlgemerkt von links – seit Anfang der 80er Jahre viele „bewegte Frauen“. Sie trafen sich informell und organisierten sich autonom in Frauen/Lesbengruppen.

Deren Geschichte wurde im Zuge des nationalkonservativen und patriarchal-kapitalistischen Einheitstaumels verschüttet. Ein kleines Stück davon möchten wir durch einen kurzen Überblick über die (1) staatliche Frauenbewegung, (2) die Dreifachausbeutung der Frau im Sozialismus, (3) die Entstehung und dem (4) Ende der Autonomen Frauenbewegung in der DDR wieder ausgraben.1

1. Die staatliche Frauenbewegung

Auch Frauen nutzten die gesellschaftliche Unbestimmtheit nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon 1945 gründeten sich Antifaschistische Frauenausschüsse, um neben dem Antifaschismus auch die Interessen von Frauen zu vertreten. Viele dieser stellten sich in die Tradition der Proletarischen Frauenbewegung. Deshalb suchten sie die Nähe zur “proletarischen Massenbasis”, deren legitime Vertreterin zu sein, sich alsbald die SED anmaßte. Diese wiederum betrachtete die Frauenfrage – als untergeordneten Bestandteil der sozialen Frage – mit „Einführung“ des Sozialismus als gelöst. Das verfassungsmäßige „Recht auf Arbeit“ garantiere die ökonomische Unabhängigkeit der Frau, ihre Emanzipation sei damit vollzogen sei. Bereits 1947 schlossen sich – damals noch unter Druck der Sowjetischen Administration – verschiedenste Frauenorganisationen zum Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) zusammen. Seiner offiziellen Funktion als Interessenvertretungsorgan von Frauen kam dieser aber niemals nach. Vielmehr diente er dem SED-Regime zeitlebens als autoritäre Propaganda- und Mobilisierungsinstanz. Folgerichtig wurde auch er 1952 der als Massenorganisation SED einverleibt.

Als SED-Massenorganisation instrumentalisierte der DFD die Frauen. Sie sollten zu allerlei Anlässen an der Seite der_ihrer Männer* ihre Dankbarkeit gegen­über dem Sozialismus demonstrieren. Zugleich stach er mit Angeboten zur Alltagshilfe hervor, deren geschlech­terstereotyper Gehalt ihm den Namen „Häkelclub“ einbrachte. Frauen wurden vom DFD nämlich vorwiegend als Sorge-Arbeitende, Haus-Arbeitende und Mütter angesprochen. Konservative Rollenbilder blieben so weitgehend unangestatet. Der DFD ist so das „Instru­ment einer administrativen Bevöl­ke­rungs- und Wirtschaftspolitik“ gewesen: „Mit dem Ziel, die Geburtenrate zu erhöhen, schrieb eine staatlich verordnete Sozialpolitik einseitig den Frauen die Zuständigkeit für die Familien- und Hausarbeit zu.“2. Diese biopolitischen Maßnahmen wurden fortan sarkastisch als „Muttipolitik“ tituliert.

Auch wenn der DFD die Diskurshoheit in Sachen „Frauenfragen“ bis Mitte der 80er Jahre innehatte, spielte er im Alltag vieler, insbesondere jüngerer Frauen keine Rolle mehr. Denn die vorherr­schen­de Analyse, wonach sich die Befreiung der Frau im Sozialismus von selbst erübrige, schuf einen blinden Fleck für die eigene patriarchale Durchdringung. Paradoxerweise arbeitete der DFD so stets gegen sein eigenes Klientel und verfestigte die Frauenunterdrückung dort, wo er behauptete sie zu bekämpfen oder gar überwunden zu haben. Die offizielle Sicht entsprach jedoch in keinsterweise den Alltags­erfahrungen von Frauen in der DDR.

2. Die Dreifachausbeutung der Frau

Frauen konnten: (1) ohne Zustimmung eines männlichen Vormundes lohnarbeiten gehen, selbst in „männertypischen“ Berufen; (2) garantiert auf eine teilvergesellschaftete Infrastruktur zur Kindererziehung bauen; (3) seit 1972 sogar allein und legal über ihren Bauch entscheiden3. Und dennoch: „Der Schein verwirklichter Frauenemanzipation in der DDR trügt. Die DDR ist eine männerdominierte, d.h. patriarchalisch organisierte Gesellschaft.“, in der männ­liche Normen und Werte weiterhin handlungsleitend waren.

Frauen mussten: (1) als unqualifizierte und schlechter entlohnte Arbeitskraft für monotone Tätigkeiten herhalten; (2) als naturalisierte Verantwortliche für Sorge-Arbeit in schlecht bezahlter Lohnarbeit oder in unsichtbarer Hausarbeit dienen; (3) mit unbezahlter Mehrarbeit die Mängel in der Versorgung kompensieren; (4) alleine über Vereinbarkeit von Beruf und Familie nachdenken; (5) die Sexualisierung des weiblichen Körpers und die damit einhergehende Gewalt mangels öffentlicher Thema­ti­sie­rung stillschweigend erdulden; (6) mit­an­sehen wie überwiegend Männer in Macht- und Führungspositionen aufstiegen.

Sich dieser vergeschlechtlichten Arbeitsteilung zu entziehen war nur schwer möglich. Während die Verweigerung zur Lohnarbeit mit einer mehrjährigen Zuchthaus- bzw. Haftstrafe geahn­det wurde, herrschte zu Hause der mo­ra­lische Zwang sich um das Wohl der Familie zu sorgen. Hinzu gesellte sich die ständige Aufforderung, der Vorbildfunk­tion als aufrichtiger Sozialistin nach­­zukommen. So engagierten sich viele Frauen ehrenamtlich, unbezahlt und unter Zurschaustellung von Geschlech­ter­stereotypen zusätzlich im Sorge-Bereich. Insgesamt wurden die Frauen in der DDR so als Lohn­arbei­terinnen, unbezahlte Sorge­arbei­ter­innen und Partei­ak­ti­vis­tin­nen drei­fach aus­ge­beu­tet. Von grund­legender Eman­zipation und Befreiung also keine Rede.

Die Alltags-Wirklichkeit von Frauen in der DDR stand somit im eindeutigen Widerspruch zur offiziellen Propaganda. Während das Kollektivsubjekt Frau „objektiv“ als befreit galt, empfanden viele Frauen subjektiv zu hohe Belastungen, erlebten Erniedrigungen bis hin zu körperlicher Gewalt und waren alltäglich Benachteiligung sowie Unterdrückung ausgesetzt. Diese Erfahrungen wurden systematisch individualisiert, was dazu führte, dass viele Frauen den „Fehler“ für ihre Situation bei sich selbst suchten. Sie nahmen sich selbst so als Fremdkörper im funktionierenden Sozialismus und ihre Erfahrungen mit patriarchalen Verhältnissen als Anachro­nis­mus wahr. Sich über diese Viel­fach­be­las­tung und zum Teil auch wahr­ge­nom­me­ne Benachteiligung als Frau an offizieller Seite zu beschweren, war zwecklos und stieß im günstigsten Fall nur auf taube Ohren. Die staatlich-strukturierten Begegnungsräume im DFD ließen das Teilen dieser Erfahrungen nicht zu. Viele Frauen zogen sich deshalb (womöglich) zunehmend ins „Private“ zurück.

3. Die Autonome Frauenbewegung

Von bewegten Frauen und systemsprengenden Dynamiken konnte daher Anfang der 80er Jahre keine Rede sein. Dennoch war die ideologische Abkehr vom DFD als Interessensorgan eine Grundvoraussetzung zur Politisie­rung vieler Frauen. Den auslösenden Anlass dafür lieferte die SED selbst. Im März 1982 erließ die Volkskammer ein neues „Wehrdienstgesetz“, wonach fortan auch Frauen im Falle der Mobilmachung in den aktiven Wehrdienst befohlen werden konnten. Die zuweilen noch sehr diffuse Unzufriedenheit und Wut konnte sich – in den ohnehin friedens­bewegten Zeiten – nun an einem konkreten Gegenstand abreagieren. Unter dem Slogan „Frauen für den Frieden“ gründeten sich in Ostberlin, Magdeburg, Halle, Dresden und Weimar autonome Frauengruppen. Diese trafen sich unter dem Dach der Kirche, wo sie auf Grund der Trennung von Kirche und Staat einerseits verhältnismäßig großen Schutz vor den SED-Schergen fanden und andererseits auf Gesinnungsgenossinnen trafen, allen voran auf lesbischen Frauen und feministischen Theologinnen.

Aus dieser bis heute sehr undurchsichtigen Gemengelage entstand die Autonome Frauenbewegung der DDR. Die verschie­denen Frauen/Lesbengruppen schu­fen sich über persönliche Kontakte, seit 1984 über jährliche Frauengruppentreffen, über Samisdats wie lila Band oder Das Netz und über bewusstseinsbildende Workshops schnell eine eigene Bewegungsöffentlichkeit. Vorherrschende Themen waren die Dreifachausbeutung, Gewalt gegen Frauen, Gentech­no­lo­gie, Kindergartenprogramme und die Beziehung zwischen den Geschlechtern. Weltanschaulich blieb der Großteil den sozialistischen Vorkämpferinnen Rosa Luxemburg und Clara Zetkin treu.

Strategisch richteten sich viele der Frauen/Lesbengruppen auf eine Doppel­stra­tegie aus autonomer Selbst­orga­ni­sier­ung und gemeinsamen Kampf innerhalb der Oppositionsszene ein. Einer­seits strebten sie organisatorisch nach Autonomie, „weil sich Frauen um ihre Befreiung in erster Linie selbst kümmern“ müssten. Dazu sei „die Bewusstseinsbildung […] von Frauen in Strukturen, die wir frei machen wollen von patriarchalen Mustern und Zwängen“ unabdingbar. Anders könnten Frauen kein Bewusstsein „hinsichtlich ihrer Situation als mehr­heitlich benachteiligtes Geschlecht“ erlangen. Zuletzt würden Frauen so motiviert werden, „für ihre eigenen Interessen selbstbewusst einzutreten.“. Andererseits bedürfe es aber auch der Kooperation, das heißt der „kritische[n] Mitarbeit“. Zum Einen, weil „die Frauenfrage […] Angelegenheit aller gesellschaftlichen Kräfte sein muss“ und zum Anderen, weil „die reale Gleichstellung von Frauen nur durchsetzbar ist durch und über das Zusammenwirken von Frauen und Männern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“.

Die hier zitierte Autonome Frauengruppe lila Offensive (Ostberlin) traf sich dafür zweiwöchentlich in den AG’s „Ana­lyse der Stellung der Frau“, „Erforschung der Bedürfnisse von Frauen“ und „Umsetzung der sich aus den beiden Punkten ergebenen Forderungen“. Bis 1989 widmeten sich die Frauen-/Les­bengruppen so der eigenen Bewusstseinsbildung. Ziel war es (1) ein all­ge­mei­nes Problembewusstsein für die Stellung der Frau in der DDR zu erzeugen, (2) Frauen anzuregen, sich aus dieser Stellung zu empowern und (3) die gesellschaftlichen Bedingungen selbst zu verändern. Von den hier erworbenen Wissensbeständen profitierte die jüngere Generation bewegter Frauen enorm und konnte sich mit diesen in die anstehenden Umgestaltungsprozess selbstbewusst einbringen.

Gleichzeitig organisierten die bewegten DDR-Frauen Protestaktionen, veröffent­lich­en Appelle und Petitionen und vern­etzten sich auch grenz­über­schrei­tend mit Frauen- und Oppositions­grup­pen aus anderen Ländern. Dafür wurden sie von der Stasi überwacht und schi­kaniert, teilweise eingeknastet und in eini­gen Fällen sogar ins West-Exil ab­ge­schoben.

Als die Herrschaft des SED-Regimes 1989 tatsächlich erste sichtbare Risse bekam, gehörte die Autonome Frauenbewegung dennoch zu den Oppositionsgruppen, die sich erst spät in die gesamtgesellschaftliche Debatte um die Erneuerung der DDR einmischte. Dies lag vor allem daran, weil sich viele Frauen zunächst dem allgemeinen Ziel, dem Sturz der SED-Diktatur unterordneten. Schnell wurde jedoch ersichtlich, dass keine der (linken) Gruppierungen auch nur ansatzweise die Interessen von Frauen thematisierten. In einem öffentlichen Brandbrief kritisierte die Autonome Frauengruppe lila Offensive die Vereinigte Linke4 dafür, dass diese versuchten „Patriarchatskritik und mit ihr die Frauenproblematik […] an unsere Gruppe [zu] delegieren“. So würden diese „patriarchale Strukturen konservieren“. Würden die „’linken Männer’“ dies nicht begreifen „dann ist ihr Anspruch, eine wirklich alternative Gesellschaft entwerfen zu wollen von vornherein unglaubwürdig.“.

Die Frauen wollten sich daher selbst „in den Prozess der sozialistischen Erneuerung einmischen … mitmischen … ummischen“ um ihre Interessen „nicht wieder zu Randproblemen verkommen zu lassen.“. Den Auftakt bildete ein „offener Brief“ (2.10.89) der „Frauen für Veränderung“ (Erfurt), in dem diese dazu anstachelten, den „Sozialismus lebendig werden [zu] lassen“. Fortan gingen „Frauen in die Offensive!“. Unter diesem Motto intervenierten Frauen am 4.11. (also noch vor dem Fall der Mauer!) in der bis dahin größten nicht staatlichen Demonstration in Ost-Berlin. Am 23.11. lud die lila Offensive zu einer „Öffentlichen Veranstaltung […] Zur Frauenpolitischen Situation in der DDR“ ein. Während dieses Treffens wurde schließlich ein landesweites „Frauenfest“ für den 3.12. in der Ostberliner Volksbühne vereinbart. Unter dem Motto „Wer sich nicht wehrt, kommt an den Herd!“ versammelten sich dort 1200 (!) Frauen, um über Organisierungs- und Interventionsmöglichkeiten zu diskutieren. Im Anschluss an die Vorstellung eines „11-Punkte-Planes“ gründete sich schließlich der Unabhängige Frauenverband (UFV).

Zuvor kursierte bereits eine „Standortbestimmung“ der lila Offensive, in der es heißt: „Wir verstehen uns als Feministinnen. […] Feminismus ist für uns die Interessenwahrnehmung und Interessenvertretung für Frauen unabhängig von ihren Leben- und Liebesverhältnissen“. Davon ausgehend forderten sie u.a. die Höherbewertung und -bezahlung „frauentypischer“ Berufe, die Pflicht zur sozialen Vaterschaft, die Abschaffung aller Privilegien der Ehe, die Gründung Autonomer Frauenzentren als Schutz- und Begegnungsraum und die kritische Analyse von Lehrplänen auf Geschlechterstereotype. Des Weiteren bedürfe es u.a. der Umverteilung von Rüstungsausgaben „zugunsten von sozial Schwächeren“, der Sicherung des „Rechts auf Arbeit“, des Schutzes vor „Reorganisation unserer Gesellschaft zugunsten kapitalistischer Verhältnisse“, einer Verkürzung der „gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit“, des „Anti­­faschismus, Antiimperialismus und Antistalinismus“ als „Wesenselemente unseres Landes“, sowie der „Souveränität der DDR“. So sollte der „Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft“ gelin­gen, „die ökologisch, demokratisch, feministisch, multikulturell, nichttotalitär und sozial gerecht ist“, die „nicht konsum- und konkurrenzorientiert ist, die „ohne soziale Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, der Lebensform, der Sexualität, des Alters, der Hautfarbe, der Sprache, und aufgrund von Behinderungen“ auskommt.

4. Das Ende der Autonomen Frauenbewegung

Diese Positionen der lila Offensive finden sich unübersehbar auch in dem Manifest des UFV wieder. Neben ähnlichen allgemeinen Zielsetzungen (u.a. gemeinnützige Alternativen zum Privateigentum, Abkehr von Leistungsideologie, materielle Aufwertung von Erziehungsarbeit, Aufbau einer Frauenöffentlichkeit bestehend aus Zeitschriften, Fernsehsendungungen, Frauen­zent­ren, Entstehung solidarischer Netz­werke) richtete sich dessen Fokus jedoch zunehmend auf Abwehrkämpfe bezüglich vorhandener Frauen- und Grundrechte. Dazu sah er sich gezwungen, weil die politische Einflussnahmen westlicher Politiker*­in­nen auf den Umgestaltungsprozess in der DDR zunahm, je offen­sichtlicher die SED-Herrschaft ins Wanken geriet. Viele Frauen in der DDR wussten, dass sie im Falle einer Wiedervereinigung viel zu verlieren hatten und so hieß es auf einer „Anti-Vereinigungsdemo“ am 19.12.89 (also lange vor den Nie-wieder-Deutschland-Demos der K-Grup­pen im Westen) in Ost-Berlin: „Besonders Frauen, die ohnehin durch­schnitt­lich schlechter bezahlt sind als Männer, werden Betroffene des Sozialabbaus sein. Die Einverleibung der DDR hätte für die Mehrzahl der Frauen verheerende Folgen. Grundlegende Rechte der Frauen wie das auf Arbeit und das auf Schwangerschaftsunterbrechung wären erneut in Frage gestellt. Sie würden eingetauscht gegen den Platz am Herd, ökonomische Abhängigkeit, Prostitution und PornograVieh.“. Die Autonome Frau­en­bewegung forderte „ihren eigenen, DDR-spezifischen Weg, emanzipiert von einer Gesellschaft nach männlichem Muster, emanzipiert aber auch von feministischen Vorstellungen bürgerlicher Demokratien“. Viele Frauen machten also keinen Hehl daraus, dass eine „Einverleibung“ ihrer Rechte und emanzipatorischen Träume zugunsten der „Glitzerkulissen“ der BRD nicht in ihrem Interesse wäre.

Trotz der Erfolge des UFV, Themen wie §218, Sicherung von sozialen Versorgungsstandards oder die Verwendung geschlechtsneutraler Sprache überhaupt auf die Tagesordnung des männlichen Runden Tisches zu bringen, erwiesen sich die Befürchtungen, zu einer „weiblichen Reservearmee“ degradiert zu werden, als berechtigt. Gegen die mediale Diskurshoheit westlicher Politiker*innen, die gegen die „ungebrochene Erwerbsneigung“ ostdeutscher Frauen ins Felde zogen, konnte sich der UFV nicht behaupten. Hinzu kamen auch interne Konflikte: Die lauter werdende Kritik aus den eigenen Reihen, dass Frauen ihre Kräfte lieber für Selbstorganisierung verwenden sollten, statt sich an Runden Tischen für die Demokratie zu verausgaben. Und die unbeholfenen Vergeschwisterungsversuche der deutschen Frauenbewegungen aus. Diese scheiterten schon oft an inneren Vorurteilen und Verstän­di­gungs­schwierigkeiten zwischen Ossi- und Wessi-Frauen. Während die Einen „dumme Ossis“ erwarteten, denen mal der radikale Feminismus erklärt werden müsse, glaubten die Anderen auf „dekadente Wessis“ zu treffen, die von Klassenkämpfen so gar nichts wüssten.

Aus anarchistischer Perspektive gab es 1989 zwar die starke Forderung nach Autonomie und Selbstorganisierung der Frauen und bezog sich die autonome Frauenbewegung der DDR klar auf die soziale Frage. Es fehlte ihr aber eine deutliche Kritik und Ablehnung des Staats. Der UFV beteiligte sich sowohl an den Runden Tischen für Demokratie, als auch an den Volkskammerwahlen und machte sich 1990/1991 für die staatliche Eigenständigkeit der DDR stark. Schon sein Gründungsmanifest “für eine autonome Frauenbewegung” war überschrieben mit “Ohne Frauen ist kein Staat zu machen”. Diese Einbindung in die Staatsapparate der noch-DDR und schon-bald-BRD wurde zu der Zeit von den anarchistischen Gruppen der DDR-Oppositionsszene wie Wolfspelz, der Umweltbibliothek oder dem Kopfsprung abgelehnt.

Im Zuge der Deutschen Einheit kassierte die BRD letztlich nicht nur die Errungenschaften der DDR-Frauen ein. Die kurze Phase historischer Uneindeutigkeit und Offenheit, in der das SED-Regime zusammenbrach und sich die neue Herrschaft noch nicht etablieren konnte, erweckte emanzipatorische Potentiale und herrschaftsftreie Träume. Diese wurden jedoch schnell von Marktwirtschaft, Massenarbeitslosigkeit und rassistischen Pogromen geschluckt. Unter dem Individualisierungsdruck der westlichen Moderne brach die Autonome Frauenbewegung der DDR nach 1990 schnell in sich zusammen. Ihre Reste gingen in ihr BRD-Pendant auf. Der UFV reorganisierte sich 1991 als einge­tra­gener Verein und, löste sich 1998 endgültig auf. Ein Großteil der aktiven Mitglieder wechselte anschließend in die ostdeutsche Gleichstellungsverwaltung über. Mit der autonomen Frauen­be­weg­ung der DDR verschwanden auch feministisch-materialistische Perspektiven so_wie soziale Fragen nahezu vollständig aus gesellschaftlichen Kämpfen. DDR-Frauen wurden wieder in geschlech­­terstereotype Berufe gedrängt, ihre Biografien massenhaft entwertet. Ihre Lebenserfahrungen, darunter auch jene 1990 einen erheblichen Teil ihrer Grundrechte verloren zu haben, haben niemals einen Weg ins Kollektive Gedächtnis gefunden. Was dieses hingegen enthält, sind die Heldengeschichten von Männern, die das über vierzig Jahre andauernde Trauma der deutschen Patriot*innen per Handschlag und Unterschrift beendeten.
Fußnoten

(1) Menschen, die unbedingt weiter graben möchten, seien auf das Archiv GrauZone in Berlin verwiesen. Dieses widmet sich dem Schwerpunkt nichtstaatliche Frauenbewegung in der DDR.

(2) Hier und im Folgenden zitiert nach Dokumenten der Autonomen Frauengruppe lila Offensive: http://www.ddr89.de/lilo/inhalt_lilo.html.

(3) Wobei allerdings noch zu klären würde, inwiefern eine Differenz zwischen rechtlichem Anspruch und tatsächlicher Verfügbarkeit bestanden hat.

(4) Die Vereinigte Linke (VL) war eine am 2. Oktober 1989, also noch vor der Durchsetzung der Montagsdemos, gegründete dissidente und demokratisch-sozialistische Sammlungspartei. Sie machte sich für die Eigenständigkeit und Reformierung des DDR-Staats stark, scheiterte in den Volkskammerwahlen vom 18. März kläglich, zerfiel nach 1990 zusehends und kandidierte, wenn überhaupt, über die Listen von PDS und Grünen. 2013 löste sich die VL offiziell auf.