Antifa – ein schlechter Witz…

von Kevin

Am 17. August 2016 wurde im Rahmen der Antifa-Aktionen gegen den Rudolf-Heß-Nazi-Aufmarsch im Damenviertel ein Haus besetzt. Im Text der Besetzer stand, da der Antifa e.V. mit der Zahlung des Demo-Solds in Verzug gekommen sei, könne man sich die Miete nicht mehr leisten und müsse jetzt ein Haus besetzen. Seit September geht in Jena ein Trash-Sticker mit dem Slogan „Antifa heißt sich hart gönnen“ rum. Er klebt an verschiedenen Ecken, vor allem in Uni-Nähe, und in verschiedenen WGs. Und auf Antifa-Strafexpeditionen in Provinzorte, neulich erst in Bornhagen, dürfen Sprechchöre wie „Kühe, Schweine, Ostdeutschland“ oder „Chrystal, Pfeffi, Ostdeutschland“ nicht fehlen. Ich reg mich darüber regelmäßig auf und will das hier nochmal schriftlich tun.

Gleich vorneweg: Humor und Selbst­ironie sind wichtige Sachen und gehören definitiv zum politischen Kampf dazu. Aber hier geht es nicht um ein paar Späße untereinander, sondern um die Art und Weise, wie wir als Bewegung auftreten, wie wir nach außen hin unsere Werte und Überzeugungen vertreten und wie andere Menschen uns wahrnehmen.

1. Antifa ist leider bitterer Ernst
Wenn man mal den Campus verlässt und sogar aus Jena raus fährt, wird leider deutlich, dass der antifaschistische Selbstschutz erstens eine Notwendigkeit des Alltags und zweitens eine sehr unangenehme Sache ist. Für viele Leute bedeutet Antifa, zu schauen, dass sie nicht auf die Fresse kriegen. Da braucht man hier in Jena nur mal mit den Vietnamesen, Russen, Punks und Antifas aus den 90ern zu reden. Eine meinte letztens, dass es reiner Zufall sei, dass damals von den Punks und Antifas in Jena keiner liegen geblieben sei – im Unterschied zu Saalfeld (Jana Georgi), Magdeburg (Torsten Lamprecht, Frank Böttcher), Berlin (Silvio Meyer) und vielen anderen Städten. Und so viel anders ist das auch heute noch in vielen thüringischen Provinzorten und in Erfurt nicht. Die Alerta Südthüringen erinnerte im aktuellen Heft erst an Klaus-Peter Kühn, der 2012 in Suhl von drei Nazis gefoltert und ermordet wurde. Und wir nehmen ja sogar in Jena wahr, dass die Lage gerade wieder kippt. In Leipzig sind schon die ersten Antifas in den Bau gewandert. Vielleicht sollten wir mal darüber mit den Leuten sprechen, anstatt solche Sinnlos-Sticker zu verkleben.

2. Gerade in diesen Zeiten müssen wir klarstellen, was wir eigentlich wollen
Nach Beginn der Krise haben Linke und Anarchist_innen sich gefragt, wann es denn endlich auch hierzulande mal wieder zu Protesten und sozialen Kämpfen kommt. Bewegung ist mittlerweile ins Spiel gekommen, jedoch nicht auf die Art und Weise, die wir uns vielleicht erhofft haben. Viele Menschen sind irgendwie empört und politisieren sich. Oft fehlt ihnen aber eine klare politische Orientierung. Nehmen wir als Beispiel die Montagsdemos von 2014, zu denen neben organisieren Nazis und Antisemit_innen auch zig Leute gekommen sind, die einfach gegen den Krieg und generell verunsichert waren und eine Möglichkeit gesucht haben, dieses unbestimmte Gefühl auszudrücken. Oder nehmen wir die Schüler_innen-Bewegung in Jena, die sich seit 2015 im Rahmen der Antinazi-Demos gebildet hat. Auch hier fehlt jenseits des Antinazi-Konsens und Links-Seins eine klare politische Perspektive. So schafft es Jugend gegen Rechts (JgR), das eine Mal mit der linksradikalen Pekari-Gruppe auf die Straße zu gehen und am 1. September die staatssozialistische Antikriegs-Demo von DKP, SDAJ, IG-Metall-Jugend und SDS zu unterstützen. Und bei der Schuldemo vom 1. Dezember sprangen viele Schüler_innen mit Antifa- und anarchistischen Symbolen rum. Auf der anderen Seite aber hielten der Linkspartei-Apparatschik Thorsten Wolf und ein SDAJ-ler politische Sonntagsreden.

Gleichzeitig kommt es seit 2012 zu rechten Mobilisierungen, die die politische Landschaft grundlegend umkrempeln. Mit den Nein-zum-Heim-Protesten in unzähligen Dörfern und Kleinstädten, Pegida und seinen Ablegern wie Thügida und den AfD-Kundgebungen in Erfurt sind nationalistische bis völkische Massenbewegungen entstanden. Und mit den Identitären, dem Dritten Weg und anderen Gruppierungen haben Nazi-Kader neue at­trak­tive Organisierungsangebote ges­chaffen.

Ich finde, gerade in dieser Lage müssen wir deutlich machen, worum es uns geht und zwar sowohl, damit Leute, die irgendwie was gegen Krieg oder Nazis haben, sehen, dass es auch sowas wie eine autonome Bewegung mit eigenen Kämpfen und eigenen Ideen gibt, als auch um der nationalistischen Straßenbewegung, die sich in Deutschland formiert, etwas entgegenzusetzen.

3. Uns selbst mehr ernst nehmen
Zu viele Aktionen der letzten Monaten waren schlicht und einfach Selbstbespaßung. Anstatt von Selbstorganisierung, Autonomie, Kämp­fen im Alltag und den Aufbau von Selbstschutz- und Solidaritätsbeziehungen zu sprechen, kommen draußen das Gelaber vom Antifa e.V., blöde Witze und ein sinnloser Hass auf Ossis an. Ich meine, wenn wir uns als Bewegung selbst nicht ernst nehmen können, wie sollen das dann erst Andere tun? Und wie sollen die sich dann auch noch uns anschließen… Insofern finde ich die erwähnten Witzeleien über den Antifa e.V., Sinnlos-Sticker oder bekloppten Demosprüche nicht nur Scheiße, ich finde sie politisch betrachtet sogar schädlich. Leute, die derartiges Material (Texte, Sticker) produzieren, übernehmen auch eine gewisse politische Verantwortung dafür. Deswegen mein Appell: Leute, lasst das endlich bleiben. Ihr müsst ja nicht mal Anarchist_innen werden oder was weiß ich was. Nehmt euch als Antifas bitte einfach nur mal ernst. So schwer ist das nicht. Schließlich laufen ja bei uns in der Ecke auch ganz gute Antifa-Aktionen und -Kampagnen, z.B. die „Antifa heißt Landarbeit“-Demo in Gera, die Demo gegen Antisemitismus vom 9. November und andere. Da könnte man sich mal eine Scheibe abschneiden.