von Buntstift
Aus Platz- und Zeitgründen wird es zum neuerlichen Fascho-Fackelmarsch durch Jena keine so große Betrachtung wie beim letzten im August (Rudolf-Heß Marsch) geben. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass im August die Aktionsform „Hausbesetzung“ zur Anwendung kam und hier einige Diskussionen auslöste. Ein paar Sachen sollen dennoch kurz Erwähnung finden.
200 Menschen stürmen teilweise Absperrungen und filmen sich selber
Da wäre zum ersten zu erwähnen, dass es positiv ist, dass es eine eigene Demonstration am Tag des Faschoaufmarsches gab: Einen autonomen Gedenk- und Mahngang vom Stadtzentrum zum Westbahnhof. Es wurde an das Schicksal der Jüd*innen erinnert und sich gegen Antisemitismus gerichtet. Jenseits dieser Aktion fand sich ein motivierter Haufen von 200 Antifas (laut OTZ…) am frühen Abend zusammen, um auf die Fascho-Aufzugstrecke zu gelangen. Allein die Anzahl der Leute, die sich jenseits der sich etwas aufreibenden bestehenden Aktionsbündnisse hier zusammen fanden, ist als Erfolg zu werten. Es zeigte sich auch eine gewisse Entschlossenheit beim Versuch in der Nolldendofer Straße auf die Strecke, den Spitzweidenweg, zu gelangen. Geschlossen ging es raschen Schrittes unter den Augen des Aktionsnetzwerkes gegen Rechts, das am Nollendorfer Hof eine Kundgebung abhielt, an die Hamburger Gitter heran. Es gelang sogar kurzerhand mal die erste von zwei Gitterreihen kurz umzukippen. Die Bullen reagierten so wie sie es immer machen indem sie die Leute einpfefferten, wegprügelten, ihre Hunde ohne Maulkorb gegen sie einsetzten und auch eine zweistellige Zahl in Gewahrsam nahmen. Trotzdem gab es doch einige Lücken und mit ein paar mehr Leuten, etwas mehr Entschlossenheit und Mut wäre vielleicht auch ein Vordringen zur Strecke möglich gewesen. Mit der Anzahl an Leuten ging aber nicht mehr, ohne noch mehr Verletzungen und Ingewahrsamnahmen zu riskieren. Alle 16 Leute kamen noch am selben Abend aus der Gefangensammelstelle (Gesa) in der Kahlaischen Straße frei und wurden teils von solidarischen Menschen empfangen – so soll das sein, Daumen hoch! Zu der Durchbruchaktion bleibt festzuhalten, dass weitere Organisierung und mehr Einbindung von Leuten immer wichtig ist, um auf die Strecke zu gelangen. Wie immer könnten viele Kritikpunkte gefunden werden, aber die gehören teils nicht hierher oder würden den Rahmen sprengen. Trotzdem sei noch auf zwei Sachen hingewiesen. Da wäre der Umgang mit Smartphones. Etliche Leute zückten diese kurz nach dem ersten Zusammenstoß mit den Cops an den Gittern, als auf dem Dach des Ärztehauses etliche Bengalen angingen (auch Daumen hoch für die Action!). Leute, Smartphones auf Demos ist eh schon ziemlicher Blödsinn1 – wenn die Cops euch mitnehmen, können sie dort eure ganzen Daten, Mailverkehr und sonstwas sehen, die Wenigsten werden ja ihr Smartphone verschlüsselt haben. Genauso könnten dann auch Gesichter von Leuten die dort grad rumstanden an die Cops gelangen. Es ist schon oft genug vorgekommen, dass die Bullen von Leuten, die sie mitgenommen haben, die Telefone kontrolliert haben. Im schlimmsten Fall werden die Videos von Actions direkt, von unseren eigenen Leuten auf youtube hochgeladen. Ihr müsst euch einfach bewusst sein, dass ihr damit haufenweise Leute die dort aktiv waren der Gefahr der Repression, durch nachträgliche Identifizierung aussetzt. Also lasst den Quatsch zukünftig. Actions sollten wenn dann von (professionellen) Fotografen aus der Szene festgehalten werden. Die Leute wissen, dass die Gesichter nachher verpixelt werden. Ein Punkt der auch mit Repression durch Identifizierung zusammenhängt ist, die teilweise fahrlässige Vermummung von Leuten. Entweder ihr macht das richtig, sodass ihr halt nicht erkannt werdet oder ihr haltet euch zurück, halbe Sachen bringen nichts. Wenn ein Gitter fällt, dann ist das nun mal im Sinne der Cops eine Straftat. Soweit zu dieser Geschichte.
Ernüchterung trotz vielen Leuten und vielen Aktionen?
Der Rest des Tages lief, wie man von vielen hörte, ernüchternd ab, es gab kein Herankommen auf die Strecke, da die halt doppelt vergittert und von hunderten Cops geschützt war. Als die Demo/der Mahngang vom Westbahnhof herunterkam, versuchten es noch einmal ein paar Gruppen anzurennen, sahen sich aber auch einer Überschar von Bullen ausgesetzt oder – und das ist richtig scheiße – wurden sie wiedermal vom undynamischen Haufen der vor den Gittern steht, labert, tanzt, pöbelt, die Fahne schwingt aufgehalten. Da wäre es mal wichtig die Leute darauf hinzuweisen, dass sie hier gerade verhindern, dass Leute evt. die Nazis stoppen. Bleibt festzuhalten, dass wiedermal massig Leute unterwegs waren, die 50 (?) Nazis trotzdem ihre kurze Strecke (war ja nicht mal eine Runde) laufen konnten. Es liefen einige Aktionen, doch der durchdringende Erfolg fehlte, das lässt Leute ernüchtern, doch dazu gibt es keinen Grund. Mehr Organisierung könnte auch mehr Erfolg heißen, zu mehr Organisierung gehört auch mehr Taktik.
Bullentaktik: „Innenraumschutz“ und Greiftrupps
Womit wir bei einer der Gegenseite wären. Die Cops schoben das Konzept des „Innenraumschutzes“, wie es sich bei PEGIDA und LEGIDA bewährt hat, soll heißen einfach nur die Nazistrecke zu schützen, mit urst vielen Kräften. D.h. ein Raufkommen auf die Strecke ist sehr schwer möglich, aber ein Rankommen mit einem großen Haufen, wie gezeigt wurde, schon. Und wenn die Bullen massiv an der Strecke stehen, können sie sonst nicht so präsent sein, wie das schon manchmal der Fall war. Noch ein wichtiger Punkt zur Bullentaktik war, dass Berliner Greiftrupps hinter den Massen an den Gittern umher schwirrten, um mögliche Steine/Flaschenwerfer oder andere aufgefallenen Personen rauszuziehen. Das war definitiv neu für Jena. Behaltet das im Auge! In Berlin wurde über die Jahre das Konzept. einzelne Leute aus Massen herauszuholen, perfektioniert. Was bedi1ngt dagegen hilft,1 ist das Bilden von Ketten, also sich gegenseitig unterzuhaken.
Zum Schluss
Bleibt noch übrig, ein Schmunzeln oder auch ein „Was soll das denn?“ loszuwerden über die zahlreichen Schriftzüge, die die Tage zuvor an der Nazistrecke angebracht worden sind. Stand doch da mehrfach „Thügida-Hurensöhne“ oder „Wiebke2= Hurensohn“. Warum es nicht emanzipatorisch, ist die politischen Gegner*innen als „Hurensohn“ zu bezeichnen, wird dann hier nicht noch ausgeführt, sondern einfach mal darauf gehofft, dass dieser Afa-Jugendmob (?) das in unserer weitestgehend „linken Studiszene“ schon noch mitbekommt?! Oder mag dazu jemensch mal einen Text verfassen?
Den nächsten Thügida Fackelaufzug könnte es dann am 27.1. (Gedenktag für Opfer des Nationalsozialismus) oder auch 30.1. („Tag der Machtübergabe“, Hitler wurde am 30.1.33 vom Reichspräsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt) geben. Bleibt also noch etwas Zeit, sich zu organisieren.
(1) Siehe dazu auch der gerade neu erschienene Artikel in der Roten Hilfe Zeitung 4. 2016, S.17f. „Demonstrieren ohne Smartphone – wie geht das?“ demnächst auch online abzurufen hier: https://www.rote-hilfe.de/downloads/category/4-die-rote-hilfe-zeitung-rhz
(2) Wiebke Muhsal ist stellvertetende AfD Vorsitzende der Thüringer Landtagsfraktion, sie hetzt regelmäßig gegen Antifas in Jena, sie wohnt im Bibliotheksweg 1b, die Fassade ihrer Wohnung und die Garage wurden schon mehrfach markiert