Der 9.11. in Jena – Bitte keine Ernüchterung aufkommen lassen!

von Buntstift

 

Aus Platz- und Zeitgründen wird es zum neuerlichen Fascho-Fackel­marsch durch Jena keine so große Be­trachtung wie beim letzten im August (Rudolf-Heß Marsch) geben. Das ist auch der Tatsache geschul­det, dass im August die Aktions­form „Hausbesetzung“ zur Anwen­dung kam und hier einige Dis­kus­sionen auslöste. Ein paar Sachen sollen dennoch kurz Erwähnung finden.

200 Menschen stürmen teil­weise Absperrungen und filmen sich selber
Da wäre zum ersten zu erwähnen, dass es positiv ist, dass es eine eigene Demonstration am Tag des Fascho­aufmarsches gab: Einen au­to­­no­men Gedenk- und Mahngang vom Stadt­­zentrum zum Westbahn­hof. Es wur­­de an das Schicksal der Jüd*­in­nen erinnert und sich gegen Anti­semi­tismus gerichtet. Jenseits dieser Ak­tion fand sich ein motivierter Hau­fen von 200 Antifas (laut OTZ…) am frühen Abend zusam­men, um auf die Fascho-Auf­zug­strecke zu gelan­gen. Allein die Anzahl der Leute, die sich jenseits der sich etwas aufrei­benden beste­hen­den Aktions­bünd­nisse hier zu­sam­men fanden, ist als Erfolg zu wer­ten. Es zeigte sich auch eine ge­wisse Entschlossenheit beim Versuch in der Nolldendofer Straße auf die Strecke, den Spitz­weiden­weg, zu gelangen. Geschlos­sen ging es raschen Schrittes unter den Au­gen des Aktions­netz­werkes ge­gen Rechts, das am Nollen­dorfer Hof eine Kundgebung abhielt, an die Hamburger Gitter heran. Es gelang sogar kurzerhand mal die erste von zwei Gitterreihen kurz um­zukippen. Die Bullen reagierten so wie sie es immer machen indem sie die Leute einpfefferten, weg­prü­gelten, ihre Hunde ohne Maul­korb gegen sie einsetzten und auch eine zweistellige Zahl in Gewahr­sam nahmen. Trotzdem gab es doch einige Lücken und mit ein paar mehr Leuten, etwas mehr Ent­schlossenheit und Mut wäre viel­leicht auch ein Vordringen zur Strecke möglich gewesen. Mit der Anzahl an Leuten ging aber nicht mehr, ohne noch mehr Verletzung­en und Ingewahrsamnahmen zu riskieren. Alle 16 Leute kamen noch am selben Abend aus der Gefang­en­sammelstelle (Gesa) in der Kah­lai­schen Straße frei und wurden teils von solidarischen Menschen empfangen – so soll das sein, Dau­men hoch! Zu der Durch­bruch­aktion bleibt festzuhalten, dass weitere Organisierung und mehr Einbindung von Leuten immer wichtig ist, um auf die Strecke zu gelangen. Wie immer könnten viele Kritikpunkte gefunden werden, aber die gehören teils nicht hierher oder würden den Rahmen sprengen. Trotzdem sei noch auf zwei Sachen hingewiesen. Da wäre der Umgang mit Smartphones. Etliche Leute zückten diese kurz nach dem er­sten Zusammenstoß mit den Cops an den Gittern, als auf dem Dach des Ärztehauses etliche Bengalen angingen (auch Daumen hoch für die Action!). Leute, Smartphones auf Demos ist eh schon ziemlicher Blödsinn1 – wenn die Cops euch mitnehmen, können sie dort eure ganzen Daten, Mailverkehr und sonstwas sehen, die Wenigsten wer­den ja ihr Smartphone ver­schlüs­selt haben. Genauso könnten dann auch Gesichter von Leuten die dort grad rumstanden an die Cops gelangen. Es ist schon oft genug vorgekommen, dass die Bul­len von Leuten, die sie mitgenom­men haben, die Telefone kontrolliert haben. Im schlimmsten Fall werden die Videos von Actions direkt, von unseren eigenen Leuten auf you­tu­be hochgeladen. Ihr müsst euch ein­fach bewusst sein, dass ihr da­mit haufenweise Leute die dort ak­tiv waren der Gefahr der Repres­sion, durch nachträgliche Iden­ti­fi­zie­rung aussetzt. Also lasst den Quatsch zukünftig. Actions sollten wenn dann von (professionellen) Foto­­gra­fen aus der Szene fest­ge­hal­ten wer­den. Die Leute wissen, dass die Gesichter nachher verpi­xelt werden. Ein Punkt der auch mit Repression durch Identifizierung zusammen­hängt ist, die teilweise fahrlässige Vermummung von Leu­ten. Entwe­der ihr macht das richtig, sodass ihr halt nicht erkannt wer­det oder ihr haltet euch zurück, hal­be Sachen bringen nichts. Wenn ein Gitter fällt, dann ist das nun mal im Sinne der Cops eine Straftat. Soweit zu dieser Geschichte.

Ernüchterung trotz vielen Leu­ten und vielen Aktionen?
Der Rest des Tages lief, wie man von vielen hörte, ernüchternd ab, es gab kein Herankommen auf die Strec­ke, da die halt doppelt vergit­tert und von hunderten Cops ge­schützt war. Als die Demo/der Mahn­gang vom Westbahnhof he­run­ter­kam, ver­such­ten es noch ein­mal ein paar Grup­pen anzurennen, sa­hen sich aber auch einer Überschar von Bullen ausgesetzt oder – und das ist richtig scheiße – wurden sie wieder­mal vom undy­na­mi­schen Haufen der vor den Gittern steht, labert, tanzt, pöbelt, die Fahne schwingt aufgehalten. Da wäre es mal wichtig die Leute darauf hinzu­wei­sen, dass sie hier gerade ver­hin­dern, dass Leute evt. die Nazis stop­pen. Bleibt festzuhalten, dass wiedermal massig Leute unterwegs waren, die 50 (?) Nazis trotzdem ihre kurze Strecke (war ja nicht mal eine Runde) laufen konnten. Es liefen eini­ge Aktionen, doch der durch­drin­gende Erfolg fehlte, das lässt Leute ernüchtern, doch dazu gibt es keinen Grund. Mehr Organi­sie­rung könnte auch mehr Erfolg heißen, zu mehr Organisierung gehört auch mehr Taktik.

Bullentaktik: „Innen­raum­schutz“ und Greiftrupps
Womit wir bei einer der Gegenseite wären. Die Cops schoben das Kon­zept des „Innenraumschutzes“, wie es sich bei PEGIDA und LEGIDA be­währt hat, soll heißen einfach nur die Nazistrecke zu schützen, mit urst vielen Kräften. D.h. ein Rauf­kommen auf die Strecke ist sehr schwer möglich, aber ein Ran­kommen mit einem großen Haufen, wie gezeigt wurde, schon. Und wenn die Bullen massiv an der Strecke stehen, können sie sonst nicht so präsent sein, wie das schon manchmal der Fall war. Noch ein wichtiger Punkt zur Bullentaktik war, dass Berliner Greiftrupps hin­ter den Massen an den Gittern um­her schwirrten, um mögliche Stei­ne/Fla­schenwerfer oder andere auf­­ge­fal­le­nen Personen rauszuzie­hen. Das war definitiv neu für Jena. Be­haltet das im Auge! In Berlin wur­de über die Jahre das Konzept. ein­zelne Leute aus Massen he­raus­zuholen, perfektioniert. Was bedi1ngt dage­gen hilft,1 ist das Bilden von Ket­ten, also sich gegenseitig un­ter­zuhaken.

Zum Schluss
Bleibt noch übrig, ein Schmunzeln oder auch ein „Was soll das denn?“ los­zuwerden über die zahlreichen Schrift­züge, die die Tage zuvor an der Nazistrecke angebracht worden sind. Stand doch da mehrfach „Thü­gi­da-Hurensöhne“ oder „Wiebke2= Hu­ren­sohn“. Warum es nicht eman­zi­patorisch, ist die politischen Geg­ner*­innen als „Hurensohn“ zu be­zeichnen, wird dann hier nicht noch ausgeführt, sondern einfach mal da­rauf gehofft, dass dieser Afa-Ju­gend­mob (?) das in unserer wei­test­ge­hend „linken Studiszene“ schon noch mitbekommt?! Oder mag dazu je­mensch mal einen Text verfas­sen?

Den nächsten Thügida Fackelaufzug könnte es dann am 27.1. (Gedenk­tag für Opfer des National­sozialis­mus) oder auch 30.1. („Tag der Macht­übergabe“, Hitler wurde am 30.1.33 vom Reichspräsidenten von Hinden­burg zum Reichskanzler ernannt) geben. Bleibt also noch etwas Zeit, sich zu organisieren.

 

(1) Siehe dazu auch der gerade neu erschienene Artikel in der Roten Hilfe Zeitung 4. 2016, S.17f. „Demonstrieren ohne Smartphone – wie geht das?“ demnächst auch online abzurufen hier: https://www.rote-hilfe.de/downloads/category/4-die-rote-hilfe-zeitung-rhz

(2) Wiebke Muhsal ist stellvertetende AfD Vorsitzende der Thüringer Landtagsfraktion, sie hetzt regelmäßig gegen Antifas in Jena, sie wohnt im Bibliotheksweg 1b, die Fassade ihrer Wohnung und die Garage wurden schon mehrfach markiert